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Charmant und weltmännisch kam er daher, ohne affektiert und aufgesetzt zu wirken, und seine Stimme war auch in natura sehr angenehm.
»Na ja«, Kröger winkte ab. »Plagen ist der falsche Ausdruck.«
»Nun, wie dem auch sei, was möchten Sie wissen?«
Innerhalb von Minuten war das Eis gebrochen. Kröger kam es vor, als kenne er den Mann schon lange, und sie unterhielten sich ganz ungezwungen. Zuerst fragte Kröger nach dem Studium und der militärischen Laufbahn Wernher von Schleyersdorfs.
Sein Gesprächspartner hatte einige alte Schwarz-Weiß-Aufnahmen mitgebracht. Man sah das Schloss im Winter, die Herrschaft beim Weihnachtsfest, einen vergnügt in die Kamera schauenden Wernher von Schleyersdorf und Guido selbst als Kind, im obligatorischen Matrosenanzug. Kröger erfuhr, dass Wernher der Schöngeist der Familie war. Wernhers Vater allerdings lehnte alle diesbezüglichen Ambitionen seines Sohnes ab. Der Junge sollte das Gut übernehmen. Doch die Mutter überzeugte den Vater, und Wernher konnte Kunstgeschichte studieren. Mit der Machtergreifung der Nazis trennten sich die Wege von Wernhers und Guidos Familien.
Guidos Mutter war Halbjüdin, die Ehe der Eltern nach damaliger Auffassung Rassenschande und so emigrierte die Familie nach England. Wernhers Eltern hingegen waren überzeugte Nationalsozialisten und er selbst machte Karriere bei der SS.
Auf der Flucht in den Westen wurde ihr Auto von Tieffliegern angegriffen und Wernhers gesamte Familie getötet. Guido kam mit seinen Eltern nach dem Krieg nach Deutschland zurück und arbeitete als Architekt.
Als Kröger fragte, warum er das Schloss der Gemeinde übereignet hatte, lachte von Schleyersdorf auf.
»Das war das Beste, was ich mit dem Kasten tun konnte! Sehen Sie, die dort einmal herrschten, waren so menschenverachtend, so selbstherrlich, wie man es sich kaum vorstellen kann. Wir reden immer von Vergangenheitsbewältigung und Aufbau Ost und das war mein Beitrag dazu. Ehrlich gesagt, es fiel mir nicht schwer. Sie haben meine Mutter verachtet und ich verachte sie. Außerdem …, ich kann es mir finanziell leisten und für meine Bekannten, die in das Projekt investieren, ist es ein gutes Geschäft.«
Als Kröger ihn über die gefundenen Kunstwerke informierte, schüttelte von Schleyersdorf nur den Kopf.
»Sehen Sie, was das für Menschen waren: Räuber, Kirchenschänder und Judenhasser!« Er winkte ab. »Trotzdem werde ich mich um die Bestattung kümmern.«
Nach einer knappen Stunde war das Gespräch beendet. Kröger wünschte dem sympathischen Mann einen schönen Urlaub in Schweden. Danach schloss er die Akte von Schleyersdorf, wie er dachte, für immer.
24
Vollert hatte schon zwei Stunden zuvor Feierabend gemacht und auch Kröger packte zusammen. Als er das Dienstgebäude verließ, hatte der Himmel eine schmutzig-graue Farbe angenommen. Dicke Wolken verdunkelten die Sonne und ein scharfer Wind war aufgekommen. Der Staub auf der Straße wurde von kleinen Wirbeln erfasst und nach oben getragen. Vereinzelt sah man Papierschnipsel und Zellophantüten fliegen. Die Vögel zwitscherten aufgeregt und segelten im Tiefflug über den Parkplatz. Kröger kam es vor, als könnte er die Elektrizität in der Luft schmecken und fühlen. In seinem Kopf pochte es leise. Von fern war das Grollen des nahenden Gewitters zu hören. Die Passanten, die unterwegs waren, beschleunigten ihre Schritte. Keiner wollte mehr auf der Straße sein, wenn das Unwetter losbrach.
Kröger sprang förmlich in den Wagen und schaltete das Licht ein. Einige Minuten später krachte es ohrenbetäubend und gleichzeitig erhellte ein großer Blitz die Straßen. Jetzt war das Gewitter genau über der Stadt. Erst fielen vereinzelte Tropfen, dann prasselte starker Regen auf das Auto. Blitz und Donner spielten eine eigenartige Sinfonie. Aus dem Regen wurde eine Sintflut und der Scheibenwischer, der auf höchster Stufe lief, konnte die Wassermassen nicht mehr bewältigen. Es trommelte so laut auf das Autodach, dass Kröger das Autoradio kaum mehr vernahm.
Die meisten Fußgänger hatten Schutz in den umliegenden Hauseingängen und Bushaltestellenhäuschen gesucht. Einige liefen trotzdem unverzagt weiter, nass bis auf die Haut.
Die feuchte Luft, die in das Wageninnere drang, führte augenblicklich zum Beschlagen der Scheiben. Kröger stöhnte auf und schaltete das Gebläse ein. Sekunden später hatte er wieder freie Sicht.
Der Regen hatte ganze Straßen knöchelhoch überflutet, die Gullys konnten die
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