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Titel: Sonderauftrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. Heidenreich; T. Trczinka
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genutzt.«
    Dr. Neumann warf einen Blick ins Fahrerhaus. Die Sitzbank war nicht mehr vorhanden, ebenso fehlte das Lenkrad. Die Lenksäule ragte wie ein Stumpf in die Kabine und überall war Schlamm. Angewidert drehte er sich weg.
    »Am liebsten würde ich sofort einen Blick in die Kisten werfen! Sie auch, Frau Kollegin?« Er hatte sich an Ewa gewandt.
    »Natürlich, aber ich glaube, da müssen wir wohl noch etwas warten.«
    »Das sehe ich genauso. Aus Sicherheitsgründen.« Frau Meinke war an Ewa herangetreten.
    Ewa gab einen Seufzer von sich.
    Der Einsatzleiter der Feuerwehr trat zur Gruppe. »Wir würden gern die Kiste vom Wrack heben und es wäre schön, wenn Sie den Platz räumen könnten.«
    Dorfbewohner und Bauarbeiter mutmaßten um die Wette, was wohl in den Behältern sein könnte. Als der Reporter sie nach Kunstschätzen bei den ehemaligen Gutsherren fragte, bekam die Gerüchteküche neue Nahrung.
    Dr. Neumann kratzte sich erst am Kopf, dann versuchte er, den inzwischen getrockneten Schlamm von Hose und Jackett zu bekommen. Wo er vorher nicht gewischt hatte, ging es sehr gut, es blieben nur leichte Ränder.
    Frau Meinke kommentierte seine Bemühungen schlicht: »Die Sachen sollten Sie in die Reinigung geben.«

21
    Es war so weit: Die Mitarbeiter der Spurensicherung packten die beiden Kisten aus und Ewa und Dr. Neumann, das hatte Frau Meinke ermöglicht, waren zugegen.
    Die Tische füllten sich. Stück für Stück wurde vorsichtig abgelegt, begutachtet, katalogisiert und fotografiert. Die Anwesenden waren überrascht von der Vielzahl der gefundenen Objekte. Der Erhaltungszustand war hervorragend, beide Kisten hatten den Unbilden des Krieges und dem Wasser standgehalten. Goldgegenstände lagen neben solchen aus Silber, Ringe neben Münzen, Pokale standen neben einer Thorarolle mit rotem Mantel und silberner Jad. Ehrfürchtig wurden eine goldene Tabakdose, ein Pulverhorn aus Elfenbein, mehrere Siegelringe und goldene Taschenuhren dazugelegt. Ein Tablett mit arabischer Inschrift hatte friedlich 50 Jahre neben einem Chanukka-Leuchter aus Silber geruht, daneben hatte eine Mappe mit Zeichnungen gesteckt. Als ein Mitarbeiter der Spurensicherung sie herauszog und öffnete, kamen farbenfrohe, wunderschöne Zeichnungen ans Tageslicht.
    Ewa war nicht mehr zu halten. Sie stürmte nach vorn, nahm vorsichtig die Mappe in ihre Hände, so, als hielte sie ein verletzliches Kind, und in ihre Augen trat ein träumerischer Zug.
    »Oh Gott!«, stammelte sie ganz leise.
    Vollert trat zu ihr und fragte: »Was ist?«
    »Oh, diese Zeichnungen! Sie sind so schön, sie sind von Stanislaw Wyspianski!«
    Ihre Augen leuchteten. Vorsichtig betrachtete sie die einzelnen Blätter. Es mochten an die 50 Stück sein. Jedes Blatt, das sie musterte, ließ sie mehr strahlen. Ihre Hände zitterten leicht und ihr Gesicht war von einer zarten Röte überzogen. Man sah ihr die Aufregung an. Überwältigt zeigte sie Vollert eine Zeichnung, auf der ein junger, bärtiger Mann zu sehen war.
    »Hier, das ist er! Stanislaw Wyspianski!«
    Vollert musterte die Zeichnung: ein energisches, ausdrucksstarkes Gesicht vor Pflanzenranken und Ornamenten.
    »Mmh, nun, zeichnen konnte er. Erinnert mich ein wenig an …«
    »Ja?« Gespannt sah sie Vollert an. Der überlegte kurz und sagte: »Tja, ich möchte nichts Falsches sagen, aber ein bisschen Gauguin ist mit bei.«
    Ewa strahlte ihn an. »Genau! Sie haben es getroffen! Er wurde in Paris von Gauguin beeinflusst. In vielen polnischen Museen finden Sie seine Werke und in Krakau haben wir ihm ein eigenes Museum gewidmet. Herr Vollert, Sie müssen unbedingt einmal nach Krakau kommen. Es gibt da so viel zu sehen!«
    »Wirklich?« Vollert schmunzelte.
    »Ja doch! Zum Beispiel den Wawel, die vielen Museen, Kazimierz – das jüdische Viertel, die Marienkirche, von der man das Hejnał hören kann und in der sich der Hochaltar von Veit Stoß befindet …«
    »Den habe ich bereits gesehen.« Vollert unterbrach ihren Redefluss.
    »Wie, dann waren Sie schon mal in meiner Heimatstadt?« Sie schaute überrascht drein.
    »Gesehen habe ich ihn schon, aber das war im Fernsehen.« Sein Schmunzeln wurde ein breites Grinsen.
    »Im Fernsehen? Das …, das …, oh, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.« Ihre Grübchen verschwanden und kleine Zornesfalten bildeten sich auf der Stirn.
    Vollert tat, als wenn er die Verstimmung nicht bemerkte. »Ja, als ich ein Kind war. Da kam ein polnischer Kinderfilm. Ein Junge will im Mittelalter

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