Sonea - Die Heilerin: Roman
gewesen. Jetzt hatte er nicht einmal mehr die Magie in sich, um seine Müdigkeit zu vertreiben.
Morgen werde ich Kalias Befehl, früh anzufangen, einfach missachten. Tatsächlich werde ich vielleicht gar keine andere Wahl haben. Sobald ich erst einmal schlafe, wird es wohl einer heranrückenden Armee bedürfen, um mich zu wecken.
Er bog um eine Ecke und zwang seine Beine, ihn weiterzutragen. Es war jetzt nicht mehr weit bis zum Männerraum. Nur noch hundert Schritte – oder zwei …
Etwas streifte seine Wange. Er hob die Hand, um es wegzuwischen, und begriff gleichzeitig, dass er nichts mehr sehen konnte. Ein Geruch nach trockenem Gemüse lag in der Luft, und etwas wickelte sich fest um seine Schultern.
Ein Sack? Ja. Es ist ein Sack. Er versuchte, ihn vom Kopf zu ziehen, aber etwas krachte gegen seinen Rücken und warf ihn zu Boden. Instinktiv griff er nach seiner Magie. Ah, aber ich habe keine mehr. Starke Hände packten seine Arme und drückten sie mit Gewalt hinter seinen Rücken, und er begriff, dass er nichts tun konnte.
Woher wussten sie es? Nun, Kalia hat mich offenbar nicht nur deshalb bis spät in die Nacht dabehalten, weil sie mich bestrafen wollte …
Zu seiner Überraschung wurde der Sack, der sein Gesicht bedeckte, angehoben, wenn auch nicht so weit, dass er irgendetwas anderes als den Flur und zwei Paar Beine sehen konnte. Er sog die saubere Luft tief in seine Lunge.
Aber das war ein Fehler. Irgendetwas wurde ihm auf Mund und Nase gepresst, und er nahm einen vertrauten Geruch wahr. Obwohl er den Atem anhielt, war genug von der Droge in seinen Körper eingedrungen, dass ihm die Sinne schwanden. Ihm ging der Atem aus, und er keuchte und begann das Bewusstsein zu verlieren.
Das Letzte, was er hörte, war eine leise, heisere Stimme, in der ein deutlicher Unterton von Abscheu und Befriedigung mitschwang. »Zu einfach«, sagte die Stimme. »Nehmt ihn hoch. Folgt mir.«
ZWEITER
TEIL
16 Ängste und Sorgen
A ls die Kutsche die Gilde verließ, sah Sonea Rothen an und bemerkte einen nachdenklichen Ausdruck auf seinem Gesicht.
»Was gibt es?«, fragte sie.
»Noch vor wenigen Monaten hättest du um Erlaubnis bitten müssen, um Dorrien und seine Familie zu besuchen«, erwiderte der alte Magier. »Jetzt hinterfragt niemand dein Tun. Wie schnell sich die Dinge ändern können.«
Sonea lächelte grimmig. »Ja. Aber sie könnten sich auch genauso schnell wieder in die andere Richtung ändern. Es wäre nur ein einziger unglücklicher Zwischenfall notwendig, und ich würde Lilia Gesellschaft leisten.«
Rothen blickte gequält drein. »Sie hat vorsätzlich versucht, schwarze Magie zu erlernen.«
»Das stimmt. Ich frage mich, ob sie es auch getan hätte, wäre ihr Sinn nicht von Feuel verwirrt gewesen.«
»Wie meinst du das?«
»Es heißt, Feuel führe dazu, dass einem Menschen alles gleichgültig wird. Was reizvoll ist, wenn man Sorgen hat, die man gerne für eine Weile vergessen würde, aber Feuel löscht auch jede Sorge um die Konsequenzen der eigenen Taten aus – und es scheint das gründlicher zu tun als Alkohol.«
»Denkst du, andere könnten vielleicht den gleichen Fehler machen wie sie?«
»Nur wenn sie unter vollem Einfluss von Feuel zufällig über Bücher stolpern, die Anweisungen über das Erlernen von schwarzer Magie enthalten. Es hängt davon ab, ob es da draußen noch weitere Bücher dieser Art gibt.« Sonea seufzte. »Lord Leiden hat das Gesetz gebrochen, indem er sein Exemplar nicht der Gilde ausgehändigt hat.«
»Sollten wir anfangen, private Bibliotheken zu durchsuchen?«
»Ich bezweifle, dass wir irgendetwas finden würden. Jeder, der weiß, was er in seiner Bibliothek hat, würde alles Verdächtige entfernen und verstecken, sobald er davon hörte, dass eine Durchsuchung möglich ist.«
Rothen nickte zustimmend. »Es könnte Jahre dauern, um die größeren Bibliotheken gründlich genug durchzugehen«, fügte er hinzu. »Sind wir denn der Entdeckung von Leidens Mörder näher gekommen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Offensichtlich hat noch jemand schwarze Magie erlernt. Entweder das, oder es war Kallen, und diejenigen, die bezeugt haben, dass er in dieser Nacht woanders war, haben gelogen. Es überrascht mich, dass Osen uns nicht aufgefordert hat, die Gedanken des jeweils anderen zu lesen.« Die Kutsche kam zum Stehen. Sonea entriegelte die Tür, kletterte hinaus und drehte sich dann um und wartete, während Rothen ihr folgte.
»Soviel ich gehört habe, gab es genug
Weitere Kostenlose Bücher