Sonea - Die Heilerin: Roman
die nicht mehr ganz junge Frau, die das Haus führte, nervös an Cery heran und reichte ihm ein Stück Papier.
»Es tut mir leid. Es ist vor einigen Stunden gekommen«, erklärte sie. »Ich wusste nicht, was ich damit anfangen soll. Ihr habt nie gesagt, dass ich vielleicht Nachrichten bekommen würde oder wo ich sie hinschicken sollte.«
»Ich habe nicht erwartet, dass Ihr in diese Lage kommen würdet«, erwiderte er. »Aber danke, dass Ihr darauf aufgepasst habt.«
Sie wirkte erleichtert und zog sich hastig aus dem Raum zurück. Cery las das Schreiben und seufzte vor Erleichterung.
»Sie lebt und ist in Sicherheit«, berichtete er ihnen. »Aber sie haben entdeckt, dass sie eine Spionin war.« Er schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, ich hätte Schreibunterricht für sie arrangieren können.« Er hielt das Stück Papier mit zwei Kritzeleien darauf hoch. »Wir haben einen Code erarbeitet, aber er gibt nicht viele Einzelheiten preis.«
»Werdet Ihr sie treffen und herausfinden können, was geschehen ist?«, fragte Dorrien.
Cery nickte. »Wie bald dieses Treffen stattfinden kann, wird davon abhängen, wie viel ihr Arbeitgeber und der Dieb, der ihm seine Befehle gibt, über sie wissen und ob sie nach ihr suchen.« Seine Miene wurde wieder grimmig. »Ich werde euch Bescheid geben, sobald ich etwas in Erfahrung bringe.«
Sonea legte eine Hand auf seine. »Ich hoffe, es geht ihr gut. Und richte ihr unseren Dank aus.«
Er brachte ein hohles Lächeln zustande. »All das, und wir haben Skellin nicht gefangen.«
»Nun, lass uns hören, was sie sagt, bevor wir es als einen vollkommenen Fehlschlag bezeichnen. Vielleicht hat sie einige Informationen aufgeschnappt, die wir trotzdem benutzen können.«
Er nickte. »Dann sollte ich euch besser zur Gilde zurückbringen, in der gleichen Maskerade, in der ihr hierhergekommen seid.« Er machte ihnen ein Zeichen. »Kommt. Ich habe einige Arrangements getroffen.«
21 Lügen, verborgene Wahrheiten und Täuschungen
N ach einer nervösen Nacht, in der sie schweigend auf dem Dachboden des Hauses gewartet hatten, nachdem die Bewohner – eine Familie mit lärmenden kleinen Kindern – zurückgekehrt waren, folgte ein Tag rastlosen Schlafs in einem winzigen Zimmer unter einem Bolhaus. Lilia begann sich zu fragen, ob ihr Leben in Zukunft dauerhaft einem nächtlichen Zeitplan folgen würde.
Falls es so war, dann hoffte sie, dass sie sich schnell daran gewöhnen würde. Obwohl Anyi ihr versichert hatte, dass sie den Besitzer des Bolhauses kenne, und zuversichtlich genug war, um auf einem der schmalen Betten sofort einzuschlafen, wurde Lilia von jedem Geräusch geweckt. Und wenn man unter einem Bolhaus schlief, bedeutete das, dass es jede Menge Geräusche gab, von denen man erwachen konnte. Sie musste sich jedoch daran gewöhnt haben, denn irgendwann musste Anyi sie wachrütteln.
»Zeit aufzustehen«, sagte Anyi. »Ich habe dir einige Kleider beschafft, dann werden wir mit der Frau, die das Haus führt, zu Abend essen.«
Lilia richtete sich auf, gähnte und ergriff das oberste Kleidungsstück in dem Haufen am Fußende des Bettes. Ein schweres Robenoberteil. Sie runzelte die Stirn. Es war sauber, aber fadenscheinig an den Ellbogen.
»Deine Kleidung ist zu gut«, erklärte ihr Anyi. »Die Leute werden erkennen, dass du nicht hierhergehörst, sobald sie dich sehen. Wenn du verborgen bleiben willst, bis wir deine Freundin gefunden haben, wirst du dich kleiden müssen, als gehörtest du hierher.«
Lilia nickte. »Wenn Schwarzmagierin Sonea das kann, dann kann ich es ebenfalls.«
Anyi kicherte. »Ich werde rausgehen, während du dich umziehst.«
Die alten Kleider rochen nach Holzrauch und Seife. Obwohl sie von rauerem Tuch waren als die Kleider, die man Lilia im Ausguck zu tragen gegeben hatte, weckte etwas daran ein Gefühl behaglicher Vertrautheit in ihr.
Sie erinnern mich an mein Leben, bevor ich Novizin wurde. Sie sind wie die Kleider, die die Dienstboten getragen haben, die die gröberen, schmutzigen Arbeiten erledigt haben.
Sobald sie fertig war, ging sie zur Tür und öffnete sie einen Spaltbreit. Anyi wartete draußen und winkte ihr zu, als sie sie sah.
»Komm nach oben«, sagte sie. Der kleine Raum lag unter einer Treppe, und jetzt gingen sie in die Etage zwei Stockwerke darüber. Anyi klopfte an eine Tür, und als jemand »Herein« rief, lächelte sie Lilia zu, öffnete die Tür und trat ein.
»Hier ist sie, Donia«, sagte sie und deutete auf Lilia. Eine Frau in
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