Sonea - Die Heilerin: Roman
angehalten hatte, und schob sich an eines der Fenster. Glas und Fensterkreuz hatten diese schon vor langer Zeit eingebüßt. Sie spähte vorsichtig an der Kante des Fensterlochs vorbei, und was sie draußen sah, ließ ihr Herz aussetzen.
Ein Fischerboot hatte am Kai festgemacht. Die drei Männer, die das Lagerhaus in Augenschein genommen hatten, gingen auf vier weitere Personen zu, die paarweise zusammenstanden. Einer davon war ein schlanker, alter Mann, den sie für Enka hielt, weil ihr Führer in das Lagerhaus, Enkas Leibwächter, sich dicht bei ihm hielt.
Das andere Paar bestand aus einem ziemlich fetten, gut gekleideten Mann und einer schlanken Frau, die im Mondschein noch schöner zu sein schien als bei Tageslicht. Lilia hatte das Gefühl, als beginne ihr das Herz im Leib zu glühen.
Naki! Endlich habe ich sie gefunden!
Weitere Männer hielten sich im Hintergrund. Lilia vermochte nicht zu erkennen, ob sie zu Nakis Dieb oder zu Enka gehörten.
Es spielt keine Rolle, dachte sie. Sie sind keine Magier. Sie können mich nicht aufhalten. Sie stieg mit einem Fuß auf das Fenstersims, dann hielt sie inne.
»Dein Einsatz«, wisperte eine Stimme neben ihr. Sie drehte sich um und sah, dass Anyi sich über den Balken ebenfalls an das Fensterloch geschoben hatte. »Cery sagt, du sollst daran denken, Enka und seinen Helfer zu beschützen.«
Lilia nickte dankbar, dann zog sie Magie in sich hinein und sandte sie aus, um Cerys Verbündete und Naki mit ihrem Schutz zu umgeben. Sie stieg ganz auf das Sims, zog den Kopf ein, um sich unter dem Fenstersturz hindurchzuducken, und trat auf die Scheibe, die sie direkt vor dem Fenster mit ihrer Magie schuf.
Die Menschen draußen bemerkten nicht, dass sie zu Boden schwebte, aber Naki schaute sich um – sie hatte den Schild um sie herum wahrgenommen, als er gegen ihren eigenen gestoßen war. Oh, gut, dachte Lilia. Sie kann sich selbst schützen. Sie ließ den Schild fallen. Irgendetwas an Nakis Schild beunruhigte sie jedoch. Halb verborgen hinter den drei Männern, die das Lagerhaus untersucht hatten, ging sie auf Naki zu.
»Hier ist ein weiterer Magier«, sagte Naki mit warnender Stimme.
Sofort schauten alle Übrigen sich um und entdeckten Lilia. Die drei Männer wichen angstvoll und unsicher zurück, als Lilia zwischen ihnen hindurchschritt.
»Naki«, sagte Lilia lächelnd. Ihre Freundin starrte sie überrascht an. »Es ist so schön, dich wiederzusehen. In was für Schwierigkeiten hast du dich diesmal gebracht?«
»Lilia.« Naki sprach den Namen zu Lilias Erleichterung nicht hasserfüllt oder anklagend aus. Aber es lag auch keine Zuneigung in ihrer Stimme. »Warum bist du hier?«
»Um dir zu helfen.«
Naki sandte einen Lichtblitz durch ihren Schild. »Wie du erkennen kannst, brauche ich deine Hilfe nicht.«
Lilia sah ihre Freundin an und begriff, was sie beunruhigt hatte. Sie hat recht. Sie braucht meine Hilfe nicht. Sie hat Magie. Irgendwie hat sie oder jemand anders ihre Blockade entfernt. Das ist es, was so seltsam an ihrem Schild war – sie sollte nicht in der Lage sein, einen heraufzubeschwören. Und dann traf sie die wahre Bedeutung hinter Nakis Worten mit voller Wucht.
Naki will nicht gerettet werden. Sie ist völlig zufrieden, für einen Dieb zu arbeiten. Tatsächlich ist sie wahrscheinlich mit Absicht verschwunden. Es sei denn …?
Dann ging Lilia ein Risiko ein. Sie benutzte ihre Gedankenstimme, so leise wie möglich und in der Hoffnung, dass niemand in der Gilde es hören würde.
Wirst du erpresst?
Naki lachte. »Nein, du begriffsstutzige Närrin. Genau das habe ich die ganze Zeit geplant: von der Gilde und ihren Regeln wegzukommen, von ihrem erstickenden Urteil, und die Freiheit zu haben, zu tun, was immer ich will.«
Ihr Blick war jetzt voller Hass. Eine vertraute Woge von Schuldgefühlen schlug über Lilia zusammen, aber sie widerstand dem Drang wegzuschauen. Ich habe ihren Vater nicht getötet, sagte sie sich. Sie hat keinen Grund, mich zu hassen. Aber die Ungewissheit blieb. Naki wollte offensichtlich nicht gerettet werden. Was tue ich jetzt?
Naki brach das Gesetz. Und sie wusste es. Sie darauf hinzuweisen würde sie nicht dazu bringen, in die Gilde zurückzukehren. Wenn sie jedoch erfuhr, worauf Skellin aus war, würde sie es vielleicht tun. Sie würde den Schutz der Gilde brauchen. Es sei denn … Was, wenn Naki mit Freuden einen Dieb als Arbeitgeber gegen einen anderen einzutauschen bereit war? Lilia begriff, dass sie es auf eine andere Weise
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