Sonea - Die Heilerin: Roman
ihren Eltern erinnerte, die in die Gilde gekommen waren, um sie zu sehen, bevor man sie in den Ausguck gesperrt hatte. Sie war zu benommen gewesen, um viel zu sprechen. Sie erinnerte sich daran, dass sie oft »Es tut mir leid« gesagt hatte. Ihre Mutter hatte lediglich gefragt: »Warum?«, und sie hatte nicht antworten können. Wie hätte sie ihrer Mutter erklären können, dass sie ein anderes Mädchen liebte?
Es hatte Tränen gegeben.
Die Erinnerung war schmerzhafter, als es die Begegnung selbst gewesen war. Sie stand auf und zog sich an, nur um ihre Gedanken auf etwas anderes richten zu können, und ihr Atem formte eine Wolke in der kalten Luft. Irgendjemand hatte beschlossen, dass sie die Art von schlichten Hosen und Obergewändern tragen sollte, die die meisten Diener trugen, aber aus einem Tuch von besserer Qualität. Ein warmes Unterhemd gehörte auch dazu. Roben wären zu dünn und zu leicht gewesen, um die Kälte abzuwehren – wenn es ihr denn erlaubt gewesen wäre, weiterhin welche zu tragen. Sie zitterte, und plötzlich spürte sie schmerzhaft den Verlust ihrer Magie.
Man hatte ein Kohlebecken im Raum aufgestellt, mit einem Abzug, der den Rauch durch die Außenmauer des Gebäudes leitete. Daneben befand sich ein Stapel Feuerholz und Anzündmaterial. Da der Ausguck für Magier erbaut worden war, vermutete sie, dass das Gebäude über keine Kamine oder Schornsteine verfügte. Als die Wache ihren Dienst übernommen hatte, waren sie wahrscheinlich zu dem Schluss gekommen, dass Kohlebecken die einfachste nichtmagische Methode waren, um die Räume warmzuhalten.
Jemand hatte auch Drehstöcke und Zünder bereitgelegt, also machte sie sich daran, das Kohlebecken zu entzünden. Sie versuchte nicht, ihre Kräfte zu benutzen, davon überzeugt, dass die Blockade, die Schwarzmagierin Sonea über ihren Geist gelegt hatte, undurchdringlich war und dass es unangenehm sein würde, dagegen anzukämpfen. Sie konnte sich an die Prozedur selbst kaum erinnern. Ihr Geist war vor Schreck ganz benommen gewesen.
Sonea hat mir einige Fragen gestellt, erinnerte sie sich. Ich war ihr nicht gerade von großem Nutzen. Aber zumindest hat sie immer noch versucht zu helfen. Oder zumindest herauszufinden, wer Nakis Vater getötet hat.
Würde die Gilde die Suche nach dem Mörder aufgeben, jetzt, da sie eingekerkert war? Sie hoffte es nicht. Obwohl Naki ihren Stiefvater nicht gemocht hatte, hatte sein Tod sie offensichtlich bekümmert. Sie verdiente es zu wissen, was wirklich geschehen war.
Vor allem da sie in Gefahr sein könnte. Wer immer ihren Vater getötet hat, könnte es auch auf sie abgesehen haben.
Lilias Herz begann schneller zu schlagen, aber sie holte einige Male tief Luft und sagte sich, dass Naki auf sich selbst aufpassen könne. Aber ganz konnte sie es doch nicht glauben. Naki war durch ihre jüngsten Schwächen zu leicht ablenkbar. Wie gut würde sie sich verteidigen, wenn Feuel sie in seinen Fängen hielt?
Nun, das ist etwas, mit dem ich keine Probleme mehr haben werde. Kein Feuel mehr für mich, hier in meinem Gefängnis.
Bei dem Gedanken überlief sie ein Schauer der Furcht. Sie schüttelte den Kopf. Es war nicht so, als brauche sie Feuel. Oder als hätte sie auch nur ein so großes Verlangen danach. Aber es hätte ihr geholfen, alles zu vergessen. Sich nicht um die Dinge zu scheren, die sie nicht ändern oder tun konnte. Aufzuhören, sich so dumm vorzukommen, weil sie die Anweisungen des Buches über schwarze Magie ausprobiert hatte. Es zu ertragen, nicht zu wissen, ob Naki in Gefahr war. Und vielleicht sogar die Liebe zu ersticken, die sie für Naki empfand. Waren sich die Liedermacher und Dichter nicht alle einig darin, dass Liebe nur zu Schmerz führte?
Wenn sie Naki nicht liebte, würde sie jetzt vielleicht einen Groll gegen das Mädchen hegen, das sie beide in diese Schwierigkeiten gebracht hatte. Das Problem ist nur, dass ihre Leichtsinnigkeit zu den Dingen gehört, die ich an ihr liebe. Obwohl die Liebe zu dieser Eigenschaft jetzt vielleicht nicht mehr so ausgeprägt ist …
Das Kohlebecken war klein, und ihre Haut kribbelte vor Kälte. Sie stand auf, legte sich die Bettdecke um die Schultern und ging im Raum auf und ab. Für eine Weile stand sie an einem der schmalen Fenster und blickte auf den Wald draußen hinab. Es war der gleiche Wald, der an die Gebäude der Gilde grenzte. Sie hatte ihn nie erkundet, wie andere Novizen es getan hatten. Da sie in der Stadt aufgewachsen war, war die Aussicht, ein
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