Sonea - Die Hueterin
anderen. »Perler hat es überlebt. Warum nicht auch ich?«
»Weil deine Eltern vor einigen Jahren ein paar Sachakaner getötet haben«, bemerkte Dekker in einem Tonfall, der nahelegte, dass Lorkin dumm war. »Sie neigen dazu, an solchen Dingen Anstoß zu nehmen.«
Lorkin breitete die Arme aus, wie um die Gilde als Ganzes zu umfassen. »Das Gleiche haben alle Magier während der Schlacht getan und die Novizen. Warum sollte das, was meine Eltern getan haben, etwas anderes sein?«
Dekker öffnete den Mund, aber es kam kein Laut heraus, und er schloss ihn wieder. Dann sah er Perler an, der kicherte.
»Schau nicht mich an, damit ich dich in dieser Sache unterstütze«, sagte der ältere Magier. »Lorkins Herkunft mag ihn für die Sachakaner ein wenig interessanter machen als andere Magier, aber solange er nicht ständig darauf hinweist, bezweifle ich, dass er in größerer Gefahr wäre, als ich es gewesen bin.« Er sah Lorkin an. »Trotzdem, ich würde das die Höheren Magier entscheiden lassen. Es könnte einen Grund geben, warum du nicht hingehen solltest, über den sie bisher nicht gesprochen haben.«
Lorkin drehte sich um, um Dekker triumphierend anzusehen. Sein Freund erwiderte seinen Blick, runzelte die Stirn und schüttelte dann den Kopf.
»Melde dich bloß nicht freiwillig, um zu beweisen, dass ich unrecht habe.«
Lorkin lachte. »Würde ich das tun?«
»Wahrscheinlich.« Dekker lächelte schief. »Oder nur um mich zu ärgern. Wenn man weiß, wie deine Familie ist, wirst du eine wichtige Rolle dabei spielen, die Sachakaner dazu zu bringen, die Sklaverei aufzugeben und den Verbündeten Ländern beizutreten, und in wenigen Jahren werde ich sachakanische Novizen in die Kriegskunst einführen.«
Lorkin widerstand dem Drang, eine Grimasse zu schneiden, und zwang sich zu einem Lächeln.
Da fängt es schon wieder an. Diese Erwartung, dass ich etwas Wichtiges tun werde. Aber das wird niemals geschehen, solange ich in der Gilde herumsitze und gar nichts tue.
»Das wird für den Anfang genügen«, sagte er. »Gibt es sonst noch etwas?«
Dekker stieß einen ungehobelten Laut aus und wandte den Blick ab. »Erfinde einen Wein, der keinen Kater verursacht, und ich werde dir alles verzeihen.«
Nachdem Sonea und Rothen die Universität betreten hatten, gingen sie durch die Halle in den Hauptflur. Dieser führte direkt in die Große Halle, einen drei Geschosse hohen Saal im Zentrum des Gebäudes. Glasvertäfelungen bedeckten das Dach und ließen Licht ein.
Dieser Saal war aus einem älteren, schlichten Bau hervorgegangen, der Gildehalle. Sie war der erste Sitz der Gilde gewesen, und als man die prächtigere Universität um diese Halle herum und mit ihr als Zentrum errichtet hatte, war es das Einfachste gewesen, deren Innenmauern abzureißen und daraus eine einzige große Halle für die regelmäßigen Versammlungen und gelegentlichen Anhörungen zu machen.
Die heutige Zusammenkunft war eine offene Anhörung, es konnte also neben den Höheren Magiern, die zur Anwesenheit verpflichtet waren, auch jeder andere Magier daran teilnehmen. Sonea fand es gleichzeitig ermutigend und beunruhigend, die große Menge von Magiern zu sehen, die am gegenüberliegenden Ende der Halle wartete.
Es ist gut, dass so viele sich dafür interessieren, aber ich kann nicht umhin zu bezweifeln, dass viele von ihnen dem Antrag positiv gegenüberstehen.
Die Höheren Magier hatten sich am Seiteneingang der Gildehalle versammelt. Der Hohe Lord Balkan stand mit vor der Brust verschränkten Armen da und blickte stirnrunzelnd auf den Mann hinab, der mit ihm sprach. Seine weißen Roben betonten seine Körpergröße und die breiten Schultern, verrieten jedoch auch Weichheit und Fülligkeit, wo er einst muskulös gewesen war. Seine Pflichten als Hoher Lord hielten ihn davon ab, sich in den Kriegskünsten zu üben, vermutete Sonea.
Der Mann, den er mit einem Stirnrunzeln betrachtete, war Administrator Osen. Sonea konnte das Blau der Robe des Administrators nicht sehen, ohne sich an seinen Vorgänger zu erinnern und einen Stich des Schuldgefühls und der Traurigkeit zu verspüren. Administrator Lorlen war während der Ichani-Invasion ums Leben gekommen. Obwohl Osen genauso tüchtig war wie Lorlen, mangelte es ihm an der Wärme seines Vorgängers. Und er hatte ihr nie verziehen, dass sie schwarze Magie erlernt und sich Akkarin im Exil angeschlossen hatte.
Eine Gruppe von drei anderen Magiern wartete geduldig, beobachtete die Übrigen und bemerkte
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