Sonea - Die Hueterin
verzog. »Sie werden Euch bisweilen Steine in den Weg legen, ganz gleich wer Ihr seid. Abgesehen von den allgemeinen Problemen von Rang und Hierarchie sind die Sklaven ein wenig gewöhnungsbedürftig. Sie sind vielleicht nicht in der Lage, irgendetwas Bestimmtes für Euch zu tun, aber sie werden es nicht sagen, denn das wäre gleichbedeutend mit Befehlsverweigerung. Ihr müsst lernen zu deuten, was sie sagen und tun - es gibt Signale und Gesten, die Ihr irgendwann mitbekommen werdet -, und ich werde Euch erklären, wie Ihr einen Befehl am besten ausdrücken könnt.«
Es folgte ein komplizierter, aber überraschend logischer Kodex für das Verhalten im Umgang mit Sklaven, und Lorkin war ärgerlich, als sie einige Zeit später von einem Klopfen an der Tür unterbrochen wurden. Dannyl deutete auf die Tür, und sie schwang auf. Lorkin wurde prompt ein wenig flau, als er den Magier erkannte, der dahinter stand.
Oh-oh. Was hat Mutter jetzt wieder getan?
»Entschuldigt die Unterbrechung«, sagte Lord Rothen, dessen verrunzeltes Gesicht sich zu einem Lächeln verzog. »Könnte ich für einen Moment mit Lord Lorkin sprechen?«
»Natürlich, Lord Rothen«, sagte Dannyl mit einem breiten Lächeln. Er sah Lorkin an, dann deutete er mit dem Kopf auf den älteren Magier. »Geht nur.«
Lorkin unterdrückte ein Seufzen und erhob sich. »Ich werde so schnell wie möglich zurück sein«, sagte er zu den anderen, dann ging er zur Tür und trat an Rothen vorbei in den Flur dahinter. Als die Tür sich schloss, verschränkte Lorkin die Arme vor der Brust und wappnete sich für den Vortrag, der gewiss folgen würde.
Rothen wirkte wie immer sowohl streng als auch erheitert. »Bist du dir sicher, dass du nach Sachaka gehen willst, Lorkin?«, fragte er leise. »Du tust es nicht nur, um deine Mutter zu ärgern?«
»Ja«, antwortete Lorkin. »Und nein. Ich will nach Sachaka reisen, und ich versuche nicht, Mutter gegen mich aufzubringen.«
Der ältere Magier nickte, und seine Miene wirkte jetzt nachdenklich. »Du bist dir über die Risiken im Klaren?« »Selbstverständlich.«
»Dann gibst du also zu, dass es Risiken gibt.«
Ha. Überlistet!
Lorkin musste sich ein Lächeln verkneifen, als eine Woge der Zuneigung zu dem alten Mann in ihm aufstieg. Während all der Jahre von Lorkins Leben war Rothen da gewesen, er hatte sich um ihn gekümmert, wenn die Pflichten seiner Mutter sie fortriefen, und ihm geholfen, wenn er Verteidigung oder Unterstützung brauchte, er hatte ihn belehrt und gelegentlich bestraft, wenn er etwas Törichtes getan oder Gilderegeln gebrochen hatte.
Dies war etwas anderes, und Rothen musste es wissen. Lorkin brach keine Regeln. Er brauchte seinen alten Freund und Beschützer nur davon zu überzeugen, dass er nichts Törichtes tat.
»Natürlich gibt es Risiken - es gibt Risiken bei allem, was ein Magier tut«, wiederholte Lorkin etwas, das Rothen gern zu Novizen sagte.
Die Augen des alten Magiers wurden schmal. »Aber sind sie zu groß?«
»Das zu entscheiden wird bei den Höheren Magiern liegen«, antwortete Lorkin.
»Und du wirst ihre Entscheidung akzeptieren, ganz gleich wie sie ausfällt?« »Natürlich.«
Rothen senkte den Blick, dann sah er Lorkin wieder in die Augen, und seine eigenen Augen waren voller Mitgefühl. »Ich verstehe, dass du etwas mit deinem Leben anfangen willst. Die Erwartungen an dich sind gewiss hoch. Du weißt, dass Sonea und ich für dich niemals etwas anderes wollten als ein sicheres, glückliches Leben?«
Lorkin nickte.
»Es wird andere Möglichkeiten geben, wie du etwas bewirken kannst«, erklärte Rothen. »Möglichkeiten, die genauso befriedigend sind und erheblich weniger riskant. Du brauchst nur Geduld zu haben und bereit zu sein, Möglichkeiten zu ergreifen, wenn sie sich bieten.«
»Und das werde ich tun. Ich habe die Absicht, Sachaka zu überleben und zu irgendwelchen anderen Möglichkeiten zurückzukehren, die sich mir bieten«, sagte Lorkin entschlossen. »Aber für den Augenblick ist es
dies,
was ich tun will.«
Rothen sah Lorkin lange schweigend an, dann zuckte er die Achseln und trat einen Schritt zurück. »Solange du dir sicher bist und du die vollen Konsequenzen bedacht hast... Oh, und bevor ich es vergesse, deine Mutter hat mich gebeten, dir auszurichten, dass sie sich freuen würde, wenn du dich heute Abend zum Essen zu ihr gesellen würdest.«
Lorkin verkniff sich ein Stöhnen. »Danke. Ich werde kommen.«
Als ob ich eine Wahl hätte,
dachte er. Er hatte auf
Weitere Kostenlose Bücher