Sonea - Die Hueterin
harte Weise gelernt, dass eine Ablehnung einer Einladung zum Abendessen etwas war, das seine Mutter nicht leicht verzieh. Es gab da ein einziges versäumtes Abendessen vor fünf Jahren - was nicht einmal zur Gänze seine Schuld gewesen war -, und sie schaffte es immer noch, ihm deswegen ein schlechtes Gewissen zu machen.
Rothen wandte sich zum Gehen. Lorkin drehte sich wieder zur Tür um, dann hielt er noch einmal inne und blickte über die Schulter.
»Werdet Ihr mit uns essen, Rothen?«
Der alte Mann lächelte. »Oh nein. Heute Abend wird sie dich ganz für sich allein haben.«
Diesmal schaffte Lorkin es nicht, ein Stöhnen zu unterdrücken. Als er Magie aussandte, um den Türknauf zu drehen, hörte er Rothen leise lachen, während er davonging.
Sonea betrachtete den Mann, der ihr gegenüber am Tisch saß, und fragte sich nicht zum ersten Mal an diesem Abend, warum er sich die Mühe gemacht hatte, sie aufzusuchen. Es war sowohl für Antragsteller als auch ihre Gegner normal zu versuchen, die Höheren Magier zu beeinflussen; es wurde sogar von ihnen erwartet. Aber gewiss musste offensichtlich sein, wie sie abstimmen würde, da sie selbst aus der unteren Klasse kam, der ihre ganze Sympathie gehörte. Warum die Zeit verschwenden, wenn er seine Bemühungen besser darauf richten sollte, andere Höhere Magier dazu zu überreden, sich auf seine Seite zu schlagen?
»Die Regel ist offenkundig am häufigsten im Fall von Novizen aus den unteren Klassen ungerecht angewandt worden«, räumte Regin ein. »Aber Tatsache ist, dass einige wirklich aus Familien kommen, die in kriminelle Machenschaften verstrickt sind.«
»Ich heile regelmäßig Menschen, die in kriminelle Machenschaften verstrickt sind«, erwiderte sie. »Und ich kenne Leute in der Stadt, die ihr Geld nicht auf legale Weise verdienen. Das macht mich nicht zur Verbrecherin. Ebenso wenig wird ein Magier zum Verbrecher, weil ein Verwandter zufällig einer ist. Gewiss ist es genug, dass ein Magier - oder Novize - sich so benimmt, wie wir es von ihm wünschen.«
»Wenn wir nur darauf vertrauen könnten, dass sie es tun«, entgegnete Regin. »Aber ungeachtet ihrer Herkunft und ihres Vermögens trifft es auf alle Magier und Novizen zu, dass jene, die durch Familie oder Freunde unehrlichen Leuten und Geschäften ausgesetzt sind, eher der Versuchung einer kriminellen Verstrickung erliegen als jene, die diesen Einflüssen nicht ausgesetzt sind.« Er verzog das Gesicht. »Ich glaube, dass diese Regel ihnen hilft, insbesondere dann, wenn sie sich nicht selbst helfen können. Es kann eine Ausrede sein, um sich aus einer Situation zurückzuziehen, wenn man von anderen unter Druck gesetzt wird.«
»Oder es kann sie zur Rebellion treiben, wenn sie sehen, dass die Regel ungerecht angewandt wird. Oder wenn sie versehentlich gebrochen wird, könnte der Betreffende denken, dass es, wenn man erst eine Regel gebrochen hat, nicht mehr so sehr ins Gewicht fallen wird, wenn er noch eine bricht. Und dann sind da jene, die gerade das Verbotene am aufregendsten finden.«
»Weshalb wir die abschreckende Wirkung der Regel brauchen.«
»Ist sie abschreckend oder, verdrehterweise, ermutigend?« Sie seufzte. »Die Schwäche dieser Regel liegt darin, dass sie nicht durchgängig angewandt wird - und ich glaube nicht, dass sich dieses Problem lösen lässt.«
»Ich stimme zu, dass es eine Schwäche ist, aber nicht, dass das Problem sich nicht lösen lässt.« Regin lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schloss die Augen. »Die Sache ist die, die Dinge haben sich verändert. Das Verbrechen ist in die höheren Klassen eingesickert wie Feuchtigkeit in Wände. Sie sind es, für die wir die Regel brauchen, nicht die unteren Klassen.«
Sonea zog die Augenbrauen hoch. »Gewiss glaubt Ihr nicht, dass die höheren Klassen in der Vergangenheit nicht gespielt und gehurt haben? Ich kann Euch einige Geschichten erzählen...«
»Nein.« Regin öffnete die Augen wieder und sah sie an. »Ich rede nicht von den üblichen Missetaten. Was ich meine, ist größer. Bösartiger. Und erheblich besser organisiert.«
Sonea öffnete den Mund, um ihn um eine nähere Erklärung zu bitten, wurde jedoch von einem Klopfen an der Tür unterbrochen. Sie wandte sich ab und sandte ein wenig Magie aus, um die Tür zu entriegeln, und als sie einwärtsschwang, hob sich ihre Laune, denn Jonna trat ein, in den Händen ein großes, mit verschiedenen Speisen beladenes Tablett.
Soneas Tante und Dienerin blickte von ihr zu
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