Sonea - Die Hueterin
zerknirschter Miene ein. Sie seufzte vor Erleichterung.
»Entschuldigt, dass ich mich verspätet habe«, sagte er. »Mutter. Jonna.« Er nickte beiden Frauen zu. »Die Besprechung ist erst vor wenigen Minuten zu Ende gegangen.«
»Nun, du kommst genau rechtzeitig«, erwiderte Jonna und ging zur Tür. »Wenn es noch länger gedauert hätte, hätte ich deine Mahlzeit für dich gegessen.«
»Warum bleibst du nicht und leistest uns Gesellschaft?«, fragte er mit einem hoffnungsvollen Lächeln.
Sie bedachte ihn mit einem abschätzenden Blick. »Damit wir beide dir sagen, was für ein Narr du bist?«
Er blinzelte, dann grinste er kläglich. »Gute Nacht, Jonna.«
Sie schnaubte erheitert, bevor sie zur Tür hinausschlüpfte und sie hinter sich zuzog.
Sonea schaute ihn an. Er sah ihr für einen kurzen Moment in die Augen und blickte sich dann im Raum um.
»Ist irgendetwas anders als sonst?«, fragte er.
»Nein.« Sie deutete auf den anderen Stuhl. »Setz dich. Iss. Es hat keinen Sinn, das Essen noch kälter werden zu lassen.«
Er nickte, und sie begannen ihre Teller zu füllen. Sonea bemerkte, dass er mit seiner gewohnten Begeisterung aß. Oder war er in Eile? Wollte er diese Mahlzeit hinter sich bringen? Um seiner herrischen Mutter zu entfliehen und nicht länger an Dinge erinnert zu werden, die er lieber ignorieren wollte - wie die Risiken einer Reise nach Sachaka?
Sie wartete, bis das Essen vorüber war und er erheblich entspannter wirkte, bevor sie das Thema anschnitt, von dem er wissen musste, dass es der Grund für seine Einladung hierher gewesen war.
»Also«, begann sie. »Warum Sachaka?«
Er blinzelte und wandte sich ihr zu. »Weil... weil das das Land ist, in das ich reisen will.«
»Aber warum willst du dorthin reisen? Von allen Orten ist es der gefährlichste - gerade für dich.«
»Lord Maron denkt das nicht. Ebenso wenig wie Lord Dannyl. Zumindest glauben sie nicht, dass es für mich gefährlicher sein wird als für jeden anderen.«
Sonea musterte ihn eingehend. »Das liegt nur daran, dass sie nichts glauben, bevor sie einen Beweis dafür sehen. Die einzige Möglichkeit, ihnen zu beweisen, dass eine Reise nach Sachaka für dich gefährlich ist, besteht darin, dich dort hinzubringen und zu beobachten, wie dir etwas Schlimmes zustößt.«
Er kniff die Augen zusammen. »Dann hast du auch keinen Beweis dafür.«
»Nicht diese Art von Beweis.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Ich wäre kaum eine verantwortungsbewusste Mutter, wenn ich dich nach Sachaka brächte, nur um zu überprüfen, ob meine Einschätzung der Gefahr zutreffend ist.«
»Woher weißt du dann, ob es gefährlich ist?«
»Ich weiß es wegen der Dinge, die dein Vater mir erzählt hat. Wegen der Dinge, die Gildebotschafter und Händler seither bestätigt haben. Sie alle stimmen darin überein, dass Sachakaner durch ihren Ehrenkodex verpflichtet sind, Rache für den Tod eines Familienmitglieds zu nehmen - selbst wenn sie dieses Familienmitglied nicht mochten und selbst wenn dieses Familienmitglied ein Ausgestoßener war.«
»Aber die Gildebotschafter sind der Sache nachgegangen. Sie haben gesagt, dass die Familie von Kariko und Dakova keine Rache will. Die Brüder waren eine Belastung für sie, und sie haben ihren Tod offensichtlich als Erleichterung empfunden.«
»Sie haben auch gesagt, dass die Familie wegen der tollkühnen Invasion des Bruders einige Bewunderung gewonnen habe, trotz der Tatsache, dass sie Ausgestoßene waren und die Invasion gescheitert ist.« Sonea zuckte die Achseln. »Es ist einfacher, Dankbarkeit und Loyalität für jemanden zu empfinden, nachdem er tot ist. Du kannst die Tatsache nicht von der Hand weisen, dass die Botschafter nur mit einigen Familienmitgliedern gesprochen haben, nicht mit allen. Und dass, wenn das Oberhaupt der Familie eine Meinung äußert, andere, die eine abweichende Meinung vertreten, Stillschweigen bewahren würden.«
»Aber sie würden auch nicht gegen den Willen des Familienoberhaupts verstoßen«, bemerkte er.
»Nicht auf eine Art und Weise, die man zu ihnen zurückverfolgen könnte.«
Lorkin schüttelte frustriert den Kopf. »Niemand wird mir Gift ins Essen mischen oder mir im Schlaf die Kehle aufschlitzen. Selbst wenn ich keine Magie benutzen könnte, um das eine zu behandeln und mich gegen das andere zu beschirmen, wird niemand das Risiko eingehen, den Frieden zwischen unseren Ländern zu brechen.«
»Oder aber sie werden dich als den perfekten Vorwand dafür ansehen.«
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