Song of Blood (German Edition)
gehen. Außerdem kann ich nicht schlafen. Deshalb bin ich hier. Ich fühle mich gegenüber den beiden ziemlich mies.“
„Oui, das geht mir ebenso“, murmelte Mathis. Er hatte Songlians hilflosen Blick nur zu gut in Erinnerung.
„Wir haben uns wie ein paar geifernde Hyänen aufgeführt“, sagte der Officer leise. Er holte ein Feuerzeug aus der Tasche und zündete das auf dem Tisch stehende Windlicht an. Eine leichte Brise spielte mit seinem lockigen blonden Haar, als er seinen Sessel näher an den Tisch heranzog und das Schachspiel aufzubauen begann.
„Es ist übel, wenn man zwischen Freunden wählen soll. Und wir von der SEED sind Songlians und Fars Freunde. Vielleicht nicht die perfektesten, aber wir geben uns Mühe.“
Mathis schaute ihn nachdenklich an. Der policier schenkte ihm ein kleines Lächeln. Angst schien er vor ihm nicht zu haben, obwohl sie beide hier allein miteinander waren. War das nach Mathis’ Kampfansage am Nachmittag schlichter Leichtsinn oder fühlte sich dieser Mann einfach so sicher?
Wo treibt Florean solche Leute nur ständig auf?, fragte sich Mathis. Der policier zündete sich eine Zigarette an und stellte das zweite Bataillon an Spielfiguren auf.
„Jonathan“, stellte er sich ruhig vor, weil Mathis ihn weiterhin beäugte. Er pustete grauen Rauch in den Himmel.
„Ich bin der IT-Techniker unseres Teams bei der SEED.“
„Mathis. Ich bin der Vampir und somit der Feind“, erklärte Mathis. Allerdings klang es bei Weitem nicht mehr so aufgebracht wie noch vor Stunden. Ein fröhliches Grinsen erschien in Jonathans Gesicht. Nahm ihn der Officer etwa nicht ernst?
Mathis seufzte und fragte dann: „Du spielst Schach, policier?“
„Aye, manchmal, wenn ich nicht schlafen kann. Es hält die Gedanken von unliebsamen Wanderungen ab und beruhigt die Nerven.“
„Und du spielst gegen dich selbst?“
Jonathan zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Ziemlich öde, nicht wahr? Ich habe niemanden wecken wollen. Außerdem spielt keiner von meinem Team mit mir. Muss daran liegen, dass sie immer verlieren. Vielleicht magst du ja ein Spiel wagen. Sicherlich beherrschst du Schach, oder?“
Zögernd nickte Mathis. Jonathan holte eine Münze hervor.
„Kopf oder Zahl?“, fragte er.
„Tête. – Kopf“, sagte Mathis und bekam so die weißen Figuren. Ehe er sich versah, tat er seinen ersten Zug und Jonathan nickte bei dieser Eröffnung mit einem leisen Lächeln. Rasch zog er seinen Läufer heraus. Nachdem die ersten Züge ziemlich schnell aufeinander gefolgt waren, dauerte es zunehmend länger, bis einer von ihnen eine Figur setzte. Mathis, mit der Spielerfahrung etlicher Jahrhunderte, glaubte zu ahnen, worauf Jonathan aus war und versuchte, den vorausgeplanten Angriff zu vereiteln. Voll und ganz in das Spiel vertieft, merkten sie kaum, wie die Nacht allmählich verstrich.
Jonathan schreckte sichtlich auf, als Joey eine Tasse Kaffee neben ihm abstellte und eine weitere Mathis zuschob.
„Merci“, sagte er ganz überrascht.
„Du hast es nötig, denn du spielst gegen jemanden, der ständig den Schachcomputer schlägt“, sagte Joey sehr ernst. „Und, Vampir, ich möchte dich wirklich, wirklich bitten gefälligst zu gewinnen, sonst wird unser kleiner Jonny größenwahnsinnig und nervt uns die nächsten Tage damit.“
„Ich heiße Mathis.“
Der policier nickte mit einem sympathischen Lächeln und ließ sich neben ihm in einen weiteren Korbsessel fallen.
„Mach ihn also fertig, Mathis“, forderte er ein weiteres Mal und grinste seinen Teamkollegen dabei frech an.
„Verpiss dich, Joey.“ Jonathan lachte und gähnte im nächsten Moment. Er drückte die letzte Zigarette aus seiner Schachtel in dem Aschenbecher aus und bewegte seine Hand in Richtung seines Springers, um sie gleich darauf zurückzuziehen. Mathis warf ihm einen raschen Blick zu. Jonathan hatte die Stirn gerunzelt und dachte angestrengt nach. Dank der durchspielten Nacht waren seine Augen gerötet und er sah ziemlich müde aus. Nur sein Verstand schien weiterhin auf Hochtouren zu laufen. Mathis musste zugeben, dass er einen würdigen Gegner gefunden hatte. Schon lange hatte ihn ein Schachspiel nicht mehr derartig fesseln können.
„Was tut ihr denn da?“ Auch Songlian und Far hatten ziemlich früh aus dem Bett gefunden. Bestimmt fürchteten sie weitere Streitereien unter ihren Freunden. Nach und nach trudelten die beiden Nachtwölfe und die übrigen Freunde ein, und sie alle verfolgten äußerst
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