Song of Blood (German Edition)
der eine Handvoll Verzweifelter panisch versuchte durch Mauertrümmer hindurch und zurück ans Tageslicht zu gelangen. Und das mit einem hungrigen, mordenden Vampir im Nacken.
„Schau nicht so, Far. Schließlich gibt es genügend Berichte über Menschen, die in ihrer Not ihresgleichen verspeisten, um nicht zu verhungern.“
Dem konnte Far nicht widersprechen. Er konnte sich nur nicht vorstellen, selbst jemals so weit zu gehen. Mathis gab ihm einen Klaps auf die Schulter.
„Komm mit. Ich will dir ein paar weitere Dinge zeigen.“
Im Stillen freute sich Mathis über diese Nacht. Far bot angenehme Gesellschaft mit einem wachen Geist und einem geradezu wissbegierigen Verstand. Alles, was Mathis ihm erklärte und zeigte, sog er wie ein Schwamm auf und versuchte es gleich umzusetzen. Wenn er Fragen stellte – und das waren viele – zeugten sie von Nachdenken und sie waren klug gestellt. Mathis genoss es, sein Wissen weiterzugeben. Sie führten gegeneinander kurze Scheingefechte, und Mathis nutzte sein uraltes Wissen um schmutzige Tricks, damit er gegen Fars größere Kraft und seine Fähigkeiten im Kampfsport angehen konnte. Dabei stellte er fest, dass jeder Trick lediglich ein einziges Mal funktionierte, denn Far prägte sich jeden Bewegungsablauf genau ein und tatsächlich ertappte ihn Mathis dabei, wie er den einen oder anderen Trick noch perfektionierte. Nebenbei versuchte er Far Verständnis für ihre Lebensweise beizubringen. Seiner Meinung nach hing Far viel zu sehr an seiner menschlichen Vergangenheit, um sich mit seinem vampirischen Dasein voll und ganz anfreunden zu können.
„Ein Vampir zu sein, bedeutet nicht nur die sonnigen Seiten zu lieben. Man muss die Schattenseiten wenigstens akzeptieren können“, stellte er klar, als sie sich auf dem Heimweg befanden.
„Das Beißen von Menschen?“, fragte Far ungehalten.
„Du wirst frisch gepressten Obstsaft ebenfalls schmackhafter finden als Konzentrat“, brummte Mathis.
„Siehst du in Jonathan und den anderen wirklich nicht mehr als Obst?“
Mathis lachte belustigt.
„Ziemlich intelligentes Obst, zumindest was diesen Jonathan angeht. Natürlich betrachte ich sie als Menschen. Vielleicht war das ein dummer Vergleich. Fakt ist, dass sie Nahrung sind. Du brauchst ihr Blut. Bringst du sie um oder lässt du sie hilflos zurück, mag das vielleicht schändlich sein. Lässt du sie hingegen an Geist und Körper geschützt zurück, was ist dann dabei? Sie erinnern sich an nichts und erleiden keinen Schaden.“
„Sie geben es nicht freiwillig“, sagte Far. „Es ist und bleibt Diebstahl.“
„Frag eine Kuh, ob du sie essen darfst. In ihren Augen ist das Mord. Und eine gewisse Intelligenz kannst du ihr nicht absprechen. Sicherlich wird sie genau wie ein Mensch an ihrem Leben hängen. Sonst würde sie beim Anblick von Messer und Gabel freiwillig tot umfallen“, konterte Mathis. Es machte Spaß mit Far zu diskutieren. Der war allerdings an einem Punkt angekommen, wo er nur noch scheitern konnte.
„Kuh, Obst …“ Er schüttelte den Kopf.
Mathis grinste. „Es ist immer schwierig, wenn man über Nahrung debattiert. Außerdem geht es ja nicht um das Mögen, sondern um das Akzeptieren von Tatsachen.“
„Es gibt Blutkonserven“, wandte Far jetzt ein.
„Wo waren deine Blutkonserven vor dreihundert Jahren?“, gab Mathis trocken zurück. Far seufzte.
„Aye, aber heute gibt es sie.“
„Du kannst frisches Menschenblut nicht mit dem Blut von Tieren oder mit irgendeiner chemischen Pampe vergleichen, mon ami. Und wie ich Florean einschätze, hat er dir sicher nicht erzählt, dass du ohne warmes Menschenblut niemals deine vollen Kräfte als Vampir erhalten wirst. Dazu muss es frisch durch die Herzkammern geflossen sein.“
So wie Far schaute, musste das neu für ihn sein.
„Bhreac trinkt Menschenblut“, stellte er leise fest.
Mathis nickte. „Das tun nahezu alle Vampire. Du und Florean, ihr seid heldenhafte Ausnahmen. Und zu welchem Preis? Frag dich das, falls dich Bhreac schnappen sollte.“ Das war gemein, und Mathis wusste es. Er legte Far sanft eine Hand auf den Arm.
„Mach dir um Bhreac keine Sorgen. Ich passe gut auf dich auf, oui?“
Far nickte und erwiderte zaghaft Mathis’ Lächeln.
„Danke, Mathis. Danke für heute Nacht“, sagte er.
„Es war mir eine Freude, mon ami. Du bist ein heller Kopf. Das wissen auch deine Freunde, diese policiers und die beiden Nachtwölfe. Und deshalb schätzen sie dich so.“
„Ich dachte,
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