Songkran
Gun klappte den Katalog zu und legte ihn auf den Tisch.
„Sir, wir haben die Aussagen von diesem Isanpack protokolliert“, sagte Mex in einem flapsigen Ton.
„Wie bitte?“, schoss es aus Gun heraus. „Dieses sogenannte Isanpack schuftet Tag und Nacht für wenig Geld auf den Baustellen in Bangkok. Ohne diese Männer hätten wir keine U-Bahn und keinen Skytrain und was sonst noch alles. Letzte Verwarnung, Mex! Verstanden!“
Die arrogante Einstellung von Mex in Bezug auf den Isan kotzte ihn an. Dass Mex mit seinem Gedankengut gewissen Teilen der Bangkoker Mittel- und Oberschicht aus dem Herzen sprach, kam erschwerend dazu.
„Entschuldigung, Sir.“ Mex wusste, dass er einen Fehler begangen hatte. Guns Zurechtweisung kränkte ihn.
„Die Männer können gehen. Und bringen Sie die Frau rein!“, befahl Gun in harschem Tonfall.
Zwei Pickups erwarteten die Bauarbeiter vor dem Polizeigebäude. Die Männer waren Opfer von Guns Razzia geworden, die er gegen Mittag unangekündigt hatte durchführen lassen. Die Männer bildeten die Spätschicht auf einer der vielen Baustellen am Rande der Sukhumvit. Vier Stunden reguläre Maloche lag noch vor ihnen. Gun hätte die Arbeiter länger im Revier einbehalten, um zusätzliche Details zu eruieren, aber Superintendent Chaiyon drang auf eine schnelle Entlassung. Die Bauleitung duldete keine Verzögerung und ihr Einfluss in der Polizeibehörde war unüberhörbar.
„Wer hat Sie auf die Idee mit der Lotterie gebracht?“, startete Gun das Verhör.
„Niemand!“, antwortete die Vierzigjährige selbstbewusst. Sie saß dem erfahrenen Polizeiinspektor gegenüber.
Die Frau war eine Jaomae, das weibliche Pendant zu einem Jaopho. Gun grübelte für einen Augenblick. Im letzten Jahrzehnt war das Phänomen der kriminellen Drahtzieherin rapide angewachsen. Zu Beginn seiner Polizeilaufbahn, vor 30 Jahren, waren Frauen durch Kleinstkriminalität wie Beischlafdiebstahl aufgefallen. Nach der Asienkrise Ende der 1990er Jahre hatte sich diese Situation peu à peu geändert. Bemerkenswert bei dieser Entwicklung war jedoch: Im Gegensatz zu einem Jaopho, dessen Erfolg meist auf der skrupellosen Anwendung von Gewalt beruhte, bestachen die Frauen durch intelligente und innovative Geschäftsideen.
„Erklären Sie mir die Lotterie?“, fuhr Gun fort.
Er beugte sich über die Tischplatte, um sich zu vergewissern, dass das Tonband eingeschaltet war.
„Der Deal steht?“, fragte die Jaomae.
„Sie legen die Karten auf den Tisch, alle Karten wohlgemerkt, und die Polizeibehörde, also ich, empfiehlt dem Staatsanwalt, mit Ihnen milde umzugehen. Auf sein Anraten wird das Gericht Ihnen eine Geldstrafe aufbrummen. Dazu müssen Sie sich natürlich reuig und geständig zeigen, und uns überzeugen, in Zukunft die Finger von der Zuhälterei zu lassen.“
Die Frau nickte.
„Die Lotterie war meine Idee. Wir Thais lieben es doch, in der Lotterie zu spielen, oder nicht?“
„Weiter!“, Gun blickte auf seine Armbanduhr.
„Gut! Pro Ziehung werden maximal 100 Lose verkauft. Jedes Los kostet 30 Baht. Alle 14 Tage ziehen wir, also ich, den Gewinner. Der kann sich dann aus einem Katalog eine Frau aussuchen.“
Die emotionslose Art, Frauen als Lotteriegewinne zu betrachten, erschreckte Gun. Sein Blick fiel auf ihre Hände, die von Schrunden übersät waren. Die Fingernägel waren akkurat geschnitten, aber nicht lackiert. Seine Augen glitten über ihre einfache Kleidung zu ihrem sonnengegerbten Gesicht.
„Dieser hier?“, Gun deutete auf den Katalog, der vor ihm auf dem Tisch lag. Zustimmend nickte sie.
„Wieviel Geld bekommen die Frauen?“
„400 Baht!“
„Das ist alles?“
„Vielleicht Trinkgeld von den Lottospielern. Und die Zeit ist auf eine Stunde begrenzt. Das Mädchen geht dann wieder zurück zur regulären Arbeit.“
„Wo?“
„Soi Cowboy.“
„Und die barfine für die Bar?“
„Die Mädchen arbeiten ohne Ausnahme in der gleichen Bar . Der Besitzer ist mir was schuldig und verleiht seine Mädchen für umsonst.“
„Welche Kriterien müssen die Mädchen erfüllen, um in Ihren Katalog zu kommen?“
„Sie müssen jung sein.“
„Wie jung?“
„18 Jahre.“
„Gibt es genug Achtzehnjährige in dieser Bar? “
„Herr Inspektor, Sie wissen doch, dass die Mädchen aus dem Isan Schlange stehen, um in Bangkok zu arbeiten.“
„Wo finden die Treffen statt?“
„In einem Hotel.“
„In welchem?“
„,Hotel 27.“
Das heruntergekommene Hotel 27 in der Sukhumvit
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