Songkran
Mitte gefaltete Stück Papier in die Hand und überflog den Text. In wenigen Sätzen hatte die Selbstmörderin ihre Verzweiflung dargelegt.
„Wem gehört die Wohnung hier?“, fragte Gun seinen jungen Kollegen.
Auf drei bis vier Millionen Baht schätzte der Inspektor den aktuellen Wert dieser Immobilie im achten Stock. Das geräumige Fünfzimmerappartment entsprach einem mittleren Standard. Das condominium war ein Bau der späten Neunziger Jahre, als die Asienkrise Thailand in seinen ökonomischen Grundfesten erschüttert hatte.
„Ihrem Mann, aber der wohnt in Chiang Mai.“
„Woher wissen Sie das?“
„Kurz bevor Sie eintrafen Sir, habe ich mit der Bewohnerin im siebten Stock gesprochen.“
„Gute Arbeit.“ Anerkennend klopfte er seinem jungen Mitarbeiter leicht auf die Schulter.
„Und was hat die Nachbarin noch alles erzählt?“
„Sie hat gesagt, dass die Frau Spielschulden hatte, und das nicht zu knapp.“
„Fünfhunderttausend Baht um genau zu sein. Steht hier im Abschiedsbrief.“
Nachdenklich hielt Gun das Papier in die Luft. Dem Befehl von Polizeichef Thanee folgend hatten die Revierleiter in einer Nacht- und Nebelaktion die Kasinos der Hauptstadt schließen lassen. Die polizeiliche Maßnahme ging reibungslos über die Bühne; selbst die Großstadtpresse hatte daraus keine bedeutende Schlagzeile gemacht.
„Gut dann müssten wir nur noch den Ehemann informieren und herausfinden wo...“ Guns Handy klingelte. Das Display zeigte die Büronummer von Superintendent Chaiyon an.
„Sir, was kann ich für Sie tun?“
„Gun, ich hatte gerade eine Anfrage vom DSI auf Amtshilfe.“
Das DSI in seiner Funktion als ermittelnde Behörde ersucht um personelle und/oder logistische Unterstützung bei den lokalen Polizeirevieren. Ein bürokratischer Vorgang, der nicht unüblich ist.
„Mal sehen, ob die Kollegen vom Justizministerium auch erscheinen“, nuschelte Gun ins Telefon.
„Wie bitte, Gun? Ich kann Sie nicht verstehen!“, schrie Chaiyon in sein Telefon.
„Entschuldigung Sir. Die Verbindung war schlecht. Wie können wir helfen?“, formulierte Gun laut und klar.
„Da ist eine ganz große Sache im Gange, Gun.“
Gun verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. Sein Boss neigte wie üblich zur Übertreibung.
„Das DSI möchte, dass Sie und Ihre Männer eine Verhaftung vornehmen.“
„Sir, bevor ich meine Männer irgendwo hinschicke, sollte ich wissen, um was es geht?“
„Sie haben ja recht, Gun. Aber die Zeit drängt. Folgendes ist passiert: Zwei hochrangige Yakuzas sitzen in einem Cafe in der Soi 4. Das DSI ist dran, seit die Japaner einen Club in Little Tokyo verlassen haben.“
Mit Little Tokyo meinte Chaiyon die Soi Thaniya mit ihren unzähligen japanischen Sexclubs.
„Die beiden sind mit einem Taxi in die Soi 4 gefahren. Seit zehn Minuten sitzen die jetzt im Cafe Sunshine und scheinen auf jemanden zu warten.“
„Und warum ist das so eine große Sache, Sir?“
„Die Yakuzas stehen auf der most wanted list der japanischen Regierung. Zwei sehr gefährliche Männer. Das japanische Außenministerium hat persönlich beim DSI angefragt. Wenn die Aktion schief geht, rollen bei denen und auch bei uns Köpfe.“
„Lumphini trägt seine Haut zu Markte und das DSI kassiert den Ruhm sprich die Verhaftung. Richtig, Sir?“
„Wenn Sie meinen Gun. Aber wie Sie wissen, sind wir vom Gesetz verpflichtet, dem DSI zu helfen.“
„Sir, ich bin im Moment nicht im Büro. Ich rufe Mex an.“
Umgehend wählte Gun die Handynummer von seinem Stellvertreter.
„Mex, das DSI hat uns um Amtshilfe gebeten“, begann Gun emotionslos.
„Und was sollen wir tun, Sir?“
„Wir sollen zwei Yakuzas festnehmen, die gerade in der Soi 4 sind. Schicken Sie sechs Männer rüber. Und das ganze bitte unauffällig.“
„Soll ich den Einsatz leiten, Sir?“, fragte Mex und gähnte dabei.
„Mex, ich fahre gleich selbst in die Soi 4 und schau mir das ganze an. Bleiben Sie im Büro und halten Sie die Stellung.“
„Verstanden, Sir!“, erwiderte Mex kurz angebunden, der froh über diese Antwort war. Sein Schädel brummte vom alkoholischen Absturz der letzten Nacht. Der Geschmack im Mund war unangenehm. Er griff zur Schachtel Aspirin, löste zwei Tabletten und ließ sie in ein Glas Wasser fallen.
Gun ging auf den sonnenbeschienenen Balkon des Appartments zurück und schaute über das Geländer nach unten. Der Körper der Frau war neben einem großen Blumenkübel auf den Asphalt geknallt. Jetzt parkte ein
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