Songkran
Krankenwagen dicht am Bürgersteig. Gun beobachtete, wie zwei Sanitäter den Leichnam auf eine Trage hoben und ins Innere des Fahrzeugs verfrachteten. Einer von Guns Polizisten fotografierte die Szene mit einer Digitalkamera. Dann wandte sich der Beamte den wenigen Schaulustigen zu, die hinter einer Polizeiabsperrung standen.
„Sir, sind wir hier fertig?“, fragte der junge Kollege, der im großen Wohnzimmer nach Hinweisen gesucht hatte.
„Etwas gefunden?“
„Nein, Sir!“
„Wir müssen herausfinden, in welchen Kasinos die Frau gespielt hat.“
„Aber die sind doch alle geschlossen, Sir.“
„Vielleicht können Sie sich mal umhören.“ Gun fürchtete, die tote Frau und andere Selbstmörder könnten in Lumphini ihr Geld verloren haben. Nicht wegen juristischer Sanktionen, sondern weil er sich moralisch verantwortlich fühlte.
„Mache ich. Und der Ehemann?“
„Sie haben recht, wir müssen dem Ehemann Bescheid geben. Der muss zur Identifizierung schnellstens herkommen. Einen Moment bitte.“
Guns Handy klingelte.
„Sir?“
„Gun, haben Sie Mex instruiert?“, hechelte Chaiyon in die Leitung.
„Jawohl, Sir.“
„Ich treffe jetzt den Einsatzleiter vom DSI in der Soi 4. Wann können Sie da sein?“
„In zehn... nein sagen wir in fünfzehn Minuten. Machen Sie sich keine Sorgen.“ Gun fragte sich, wann Chaiyon wieder anrufen würde.
„Haben wir die Adresse von dem Ehemann?“ Gun stand jetzt neben dem jungen Polizisten auf dem Balkon.
„Nein, Sir!“
„Erkundigen Sie sich bei den Nachbarn oder der Hausverwaltung, und wenn die nichts wissen, fragen Sie Noi. Die wird Ihnen die Adresse im Computer raussuchen. Dann sagen Sie mir Bescheid. Alles Klar?“
Der junge Polizist nickte.
„Und warten Sie hier bis der Kollege von der Spurensicherung seine Arbeit gemacht hat. Dann schließen Sie die Wohnungstür ab und fahren zurück ins Revier. Und halten Sie mich auf dem Laufenden.“
Gun ging durch die Wohnung ins Treppenhaus und drückte den grünen Knopf des Aufzugs. Die Tür des Lifts öffnete sich. Geräuschlos glitt die Kabine die acht Stockwerke nach unten. Die metallene Schiebetür schob sich auseinander und eröffnete den Blick auf das Foyer. Gun durchquerte das steril wirkende Treppenhaus, dessen Fliesen frisch gereinigt waren. Ein aufgestelltes Schild warnte vor dem glatten Boden und der Rutschgefahr. Der uniformierte Sicherheitsmann am Eingang, der für die Eigentümer des condominiums arbeitete, erwies dem Inspektor beim Verlassen des Gebäudes einen militärischen Gruß.
Gun setzte seine Sonnenbrille auf. Die Vormittagssonne blendete. Plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen. Sein Blick war auf das kleine Stück Bürgersteig gefallen, auf den der Körper der Selbstmörderin geknallt war. Grob hatten die Kollegen mit einer Spraydose die Konturen des Leichnams auf dem Asphalt nachgezeichnet. Ein großer Blutfleck mit Gehirnmasse erinnerte an den zertrümmerten Schädel. Gun dachte an die trauernde Familie der Frau und an deren Schmerz. Dann wandte er sich ab und ging zu seinem Dienstfahrzeug.
Die Frühaufsteher unter den Sextouristen und Stammgästen der Nana Plaza hielten sich bereits in den Bars an ihren Flaschen Singha oder Heineken fest, als Inspektor Gun seinen Vorgesetzten Chaiyon und den Einsatzleiter des DSI an der Ecke Sukhumvit/Soi 4 traf. Verglichen mit dem hektischen Trubel der Nacht, schlummerte die Soi Nana noch in einem Dornröschenschlaf. Die drei Beamten nutzten das kleine Polizeihäuschen an der Ecke für ihre Einsatzbesprechung.
„Sind die Japaner bewaffnet?“, war Guns erste Frage.
„Soviel wir wissen Nein, aber...“, antwortete der DSI- Verantwortliche. Ein kleiner, dicklicher Mann, der den Eindruck eines Stubenhockers machte. „...wir können es nicht ausschließen.“
Der rundliche Einsatzleiter war in Zivil gekleidet, so wie seine beiden Kollegen, die bereits auf dem Parkplatz in Höhe des Rajah-Hotels Stellung bezogen hatten.
„Auf was warten wir?“, fragte Gun. Ein Krümel auf einem seiner Brillengläser veranlasste ihn, seine Sonnenbrille abzunehmen. Es war eine Handlung, die seine innere Anspannung überdecken sollte. Mit einem Taschentuch aus Leinen reinigte er die Gläser und teste die Durchsicht, in dem er die Brillengläser gegen das Licht des Fensters hielt.
„Wir wollen herausfinden, mit wem sich die beiden hier treffen“, antwortete der Dicke nervös. Schweißperlen standen auf seiner Stirn.
„Erwarten Sie denn noch
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