Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonne, Schnee und Tote

Sonne, Schnee und Tote

Titel: Sonne, Schnee und Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
Vom Netzwerk:
ihn in der Sicherheit wägte, er habe den Mann abgehängt, aber es
war klüger, noch mehr Abstand zu gewinnen und noch ein paar Mal abzubiegen.
    Der
Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung ließ sich beunruhigend viel Zeit
mit der Kommentierung von Imars Aussage. Als der Flüchtende bereits den
Verdacht hegte, er habe aufgelegt, sagte dieser schlicht: „Wir hatten dir auch
gesagt, du sollst dich unsichtbar machen, für den wahrscheinlichen Fall, dass
er auftaucht.“
    „Eine
Minute später und wir wären mit der Tour unterwegs gewesen. Marta wollte mich
nicht gehen lassen.“
    „Die
gute alte Marta, pflichtbewusst wie eh und je. Wo bist du jetzt?“
    „Im
Park, westlich vom Harbour Club Restaurant . Ich glaub, ich hab ihn
abgehängt.“
    „Bist
du sicher?“
    „Seit
fünf Minuten keine Spur mehr von diesem Inspecteur Bloemberg.“
    „Die
haben tatsächlich Bloemberg geschickt, trotz der Sache mit dem Presseartikel in
allen Tageszeitungen? Die Polizei ist da wohl weit weniger sensibel bei
öffentlicher Kritik, als ich annahm.“
    „Keine
Ahnung, was du meinst, aber scheint so zu sein.“
    Der
Gesprächspartner legte eine weitere Pause ein. Imar hörte nur noch, die
platschenden Geräusche, die seine Schuhe auf dem nassen Boden hinterließen und
seinen Atem, der gleichmäßig und nicht zu schnell ging.
    „Hör
mir zu“, sagte sein Gegenüber dann, als hätte er auf die Schnelle eine
Entscheidung getroffen. „Wir können davon ausgehen, dass er sich als Nächstes
deine Wohnung vornimmt und hofft, dich dort zu erwischen. Ich habe zwei Leute
auf ihn angesetzt. Die werden sich um ihn kümmern und unserem guten Inspecteur
ein bisschen Angst machen. Du drehst noch eine große Runde im Park und kommst
in exakt zwanzig Minuten zum Euromast, Aussichtsplattform. Ich werde da sein.
Wir müssen uns unterhalten.“
    „Verstanden.
Runde drehen, Aussichtsturm in zwanzig Minuten. Bis dann.“
    „Bis
dann.“
    Imar
zwängte das Handy zurück in seine Jeanstasche. Die Hose klebte mittlerweile an
den Oberschenkeln und auch sein Pullover war völlig durchnässt. Solange er sich
bewegte, war das kein Problem, abgesehen davon, dass der Stoff zwischen seinen
Beinen scheuerte. Als er jedoch fünf Minuten später vom Joggen in einen
normalen schnellen Schritt fiel, dauerte es nicht lange, bis es ihn zu frösteln
begann. Er warf sich die Kapuze über und schlang die Hände um den Körper. Dann
eilte er weiter durch den Regen. Petr würde sich in einer knappen Viertelstunde
mit ihm treffen, und wenn Petr das für notwendig erachtete, war die Kacke
sprichwörtlich am Dampfen. Der Mann war nicht einer von der Sorte, die wegen
jedes Fliegendrecks direkt in Panik ausbrachen. Nein, Petr Stojic war ein
abgezockter, eiskalter Charakter, der sehr genau wusste, wann der Zeitpunkt
erreicht war, an dem man intervenieren musste. Es war nicht ausgeschlossen,
dass sie die gefassten Pläne ändern mussten.
     
    ***
     
    Das
Gebäude in der Molenstraat, das Bert van Heligs Angaben zufolge Imar Sinans
derzeitigen Wohnsitz darstellte, war eines von vielen, in absolut identischer
Architektur und aus rotbräunlichen Steinen erbauten Häuschen. Sie hatten Dächer
mit roten Dachziegeln, winzige Vorgärten und einen zurückgelagerten Balkon im
ersten Stockwerk. Lediglich in der Farbe der Haustür, der Hausnummer und der
Gestaltung des Gartens unterschieden sich die Bauwerke.
    Imar
Sinans Garten war weder Pflege noch Aufmerksamkeit zuteilgeworden. Ein
kümmerliches Obstbäumchen wurde umwuchert von einem vor Unkraut sprießendem
Stück Rasen und dieser wiederum umspannt von einer wild wachsenden Hecke ohne
Schnitt und Form. Die Tür war, allen übrigen Hauseingängen der Straße
widerstrebend, die in verschiedenen Lackfarben von Schwarz über Rot bis Grün
erstrahlten, schlicht grau, ein stumpfes wenig einladendes Grau.
    Kees
hatte sich noch einige Zeit am Hafen aufgehalten in der Hoffnung, Imar würde
früher oder später zurückkehren, aber der Mann war nicht blöd gewesen.
Schließlich war der Inspecteur gefahren und parkte seinen Wagen eine
Viertelstunde später in der Molenstraat.
    Zwar
gab er sich kaum der Erwartung hin, Sinan hier anzutreffen, aber eine andere
oder gar bessere Idee, als hier auf ihn zu warten, war ihm nicht gekommen. Der
Kerl war gewarnt, aber wenn er mit dem Gedanken spielte, unterzutauchen, so
dachte Bloemberg, kam er nicht umhin doch noch einmal hierher zurückzukehren,
um die wichtigsten Dinge und Dokumente mitzunehmen.

Weitere Kostenlose Bücher