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Sonne, Schnee und Tote

Sonne, Schnee und Tote

Titel: Sonne, Schnee und Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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Rausholen … Wusste nicht, was … Dass du hier bist …“
    Die
Satzfetzen drangen an Karims Ohr. Er war nicht sicher, ob sie reine Einbildung
waren oder tatsächlich existierten. Er konnte nicht einmal mehr mit Sicherheit
sagen, ob er noch lebte und wenn dem so war, ob er in einem Wachzustand oder in
ohnmächtigen Traumwelten aus finsterster nebulöser Dunkelheit weilte. Die Kälte
war gewichen und zwischen den Aussetzern seines Bewusstseins glaubte er,
bemerkt zu haben, dass er unter einer warmen Decke lag und ihm jemand
unbeständiger Weise warme Flüssigkeit einflößte, nur um ihn schließlich wieder
alleinzulassen. Er fror nicht mehr und doch gab ihm das wenig Anlass zur
Hoffnung. Er fühlte sich schwach, zu schwach um sich weiter an sein Überleben
zu klammern. Seine Gliedmaßen waren taub geblieben. Karim war kaum in der Lage,
sie mehr als zentimeterweise zu bewegen. Die Muskulatur gehorchte ihm nicht
mehr und immer häufiger wurde er von Krämpfen heimgesucht, die ihre
Unerträglichkeit nur in der beständig folgenden Bewusstlosigkeit verloren. Sein
Geist schien zu einem dicken verklumpten Brei geworden zu sein, aus dem nur
noch leidlich wenige Gedanken klar hervortraten. Gedanken, die ihm mitteilten,
dass sie ihm das Augenlicht genommen hatten, aber er konnte nicht mehr sagen,
wie das geschehen war. Einzig die Tatsache, dass er nichts mehr sehen konnte,
manifestierte sich immer wieder dann, wenn sie zu ihm kamen. Hatte das grelle
Licht in der Dunkelheit zu Anfang noch geblendet und in seinen Augen gebrannt,
so war es mittlerweile nur noch ein schimmernder wabernder Fleck, durch den
sich schattige Umrisse bewegten.
    „Tut
mir leid. Verzeih mir“, sagte die Stimme. Innerlich zuckte Karim bei ihren
Worten zusammen. Sein Körper zeigte hingegen keine Regung. Das war kein Traum, keine Einbildung, kein Hirngespinst. Er war
wach und hörte, wie mit ihm gesprochen wurde. Er verstand die Stimme, jede
ihrer Silben, auch wenn sie hohl klang, als steckte sein Kopf bis zum Hals in
einer Schüssel voller Wasser.
    „…
kommst hier weg, versprochen. Jemand holt dich hier raus.“
    Er
spürte eine kühle Berührung auf der Stirn. Jemand strich ihm die Haare zurück,
    „…
hast Fieber und brauchst einen Arzt … Halt durch … Halt durch … Halt durch.“
    Während
sich die Worte beständig wiederholten, verloren sie an Deutlichkeit und wurden
leiser. Der Kontakt an der Stirn ließ nach und verschwand. Die Stimme erstarb.
Das wabernde Licht verblasste zu einem Spalt. Ein metallisches Klacken und dann
war wieder Dunkelheit.
    Karim
spürte, wie ihm das Wasser in die Augen stieg und konnte doch nicht weinen. Er
befand sich in der Hölle. Hier gab es kein Erbarmen und kein Entkommen. Es war
der falsche Ort für Tränen.
     
    ***
     
    Die
Sirene heulte. Sekunden später rauschte ein Streifenwagen durch die nahe Kurve
und raste mit Blaulicht an Imar Sinan vorbei. Er lief den Fußweg südlich der
Universität hinunter ohne dabei ein rechtes Ziel zu verfolgen.
    Stunden
waren verstrichen seit dem Gespräch mit Petr. Vorhin hatte er die Nachricht
erhalten, dass die Problematik Bloemberg aus der Welt geschafft war. Eigentlich
hätte er sich darüber erfreut zeigen sollen, aber er hatte den Anruf ohne große
Gefühlswallung beendet. Der Inspecteur wäre ohnehin nur ein unbedeutendes
Hindernis gewesen. Mehr Sorgen machte er sich um die Mexikaner. Wenn selbst
Stojic darauf hinwies, dass er sich in Acht nehmen musste, bedeutete das:
Gefahr, und zwar in nicht unerheblichem Maße. Die Jungs waren keine Amateure
und zu allem fähig. Stojic hatte sich dazu entschieden, seine Geschäftspartner
abzuservieren. Er hatte die Aussicht auf weit lukrativere Handelsbeziehungen,
wie er sie nannte, aus den alten Ostblockstaaten und Russland, bis hinunter
nach Afghanistan und würde die Rauschmittel aus Amerika bald nicht mehr
benötigen. Das Geschäft mit dem Kokainschmuggel (versteckt in
Überseehandelswaren) war in den letzten Monaten ohnehin immer riskanter
geworden. Natürlich trugen in erster Linie die Mexikaner das Risiko und auch
Nasridim Hadosh, den das Kartell als Zwischenposten hatte gewinnen können.
Obwohl Imar sich nicht sicher war, ob der alte Hadosh überhaupt etwas von dem
mitbekam, was in seinen Kühlhäusern wirklich ablief. Viel mehr war er
überzeugt, dass Ikbar, Hadoshs einziger leiblicher Sohn, die Fäden dieses
Zwischenhandels in den Händen hielt. Sicherheit dazu gab es keine. Nicht einmal
Namir hatte genau erfahren,

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