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Sonne, Schnee und Tote

Sonne, Schnee und Tote

Titel: Sonne, Schnee und Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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Augen. Er hätte hungrig sein müssen. Schließlich
hatte er kaum etwas zu sich genommen, nicht heute, nicht gestern und auch in
den Tagen davor war die Nahrungsaufnahme deutlich zu kurz gekommen. Aber ihm
war jetzt nicht nach Essen zumute und das lag nicht alleine an der Tatsache,
dass sein Kühlschrank inhaltsleer vor sich hin brummte und Strom fraß oder am
riesigen Wasserfleck an der Küchendecke, der auf ein zu reparierendes Leck im
Dach hinwies. Er kämpfte seit Längerem mit Appetitlosigkeit. Dafür trank er
während der Stunden, die er allein in seiner Wohnung hockte, deutlich zu viel,
obgleich ihm das keine Art von Befriedigung oder zumindest Ablenkung
verschaffte. Es war mehr eine, sich in letzter Zeit einschleichende Gewohnheit,
die zutage trat, wenn er nicht genug in den vorangegangenen Arbeitsstunden
vertieft oder zu müde zum Grübeln über sein Leben war.
    Der
Witz an der Sache war, dass er Bert (wo er nur konnte) versuchte dazu zu
bewegen, weniger zu rauchen und zu trinken, während er selbst an manchem
schlimmen Abend mittlerweile exzessiver konsumierte als sein Ziehvater.
    Natürlich
war er kein Trinker. Er hatte nicht das Verlangen, sich Abend für Abend die
Kante zu geben. Die Anzahl an Schnapsflaschen, die er geleert hatte seit Miriam
ausgezogen war, konnte er an zwei oder drei Händen abzählen. Wenn er es genau
wissen wollte, musste er einfach nur in die Küche gehen und im großen
Pappkarton neben dem Mülleimer nachschauen. Dort hatte er sie gesammelt.
    Sie
lagen dort nicht als Mahnmal, auch wenn sie dazu sicher irgendwann taugten,
sondern einfach, weil er nicht gewillt gewesen war, die Flaschen runter zum
Abfallcontainer zu bringen. Eine weitere lästige Pflicht, um die er sich
kümmern würde, sobald er hier mal wieder für Ordnung und Sauberkeit sorgte.
    Jetzt
jedoch beschränkte er sich darauf, lethargisch, wie er sich fühlte, nach der
Flasche zu greifen und sie zu öffnen.
    Er
roch daran und verzog das Gesicht. Der scharfe Geruch der klaren Flüssigkeit
trieb ihm die Tränen in die Augen. Der Verdacht lag nahe, dass Alex einfach
Spiritus in eine leere Flasche gefüllt hatte. Andererseits war der Gastronom
eine ehrliche Haut und Kees traute ihm eine solche Ungeheuerlichkeit nicht zu.
Fest stand nach Kees‘ erstem Eindruck, dass er diesen Fusel nicht pur trinken
konnte. Nach langem Zögern erhob er sich, ging in die Küche und fand in der
Obstschüssel auf der Anrichte etwas, das im entferntesten Sinne Ähnlichkeiten
mit einer Zitrone aufwies. Genau konnte er es nicht sagen, da die Frucht
verschrumpelt war und eine matschige, bräunlich-gelbe Farbe angenommen hatte.
Weil Kees jedoch nicht den Drang verspürte, wegen einer Zitrone noch einmal das
Haus zu verlassen, gab er sich damit zufrieden. Er schnitt die undefinierbare
Zitrusfrucht in Scheiben, langte nach dem Salzstreuer sowie einem Glas und
begab sich zurück ins Wohnzimmer.
    Nach
dem ersten Tequila wünschte er sich, er hätte geputzt. Das Zeug schmeckte
unfassbar scheußlich. Auch wenn Kees‘ aufflammende Angst, daran zu erblinden,
sich als unbegründet erwies, hätte er auf dieses Geschmackserlebnis gerne
verzichtet. So reihte sich dieser Reinfall erfolgreich in die lange Schlange
von Rückschlägen ein, die dieser 23. Juni mit sich gebracht hatte.
    „Prost“,
murmelte Kees und genehmigte sich einen weiteren. Ein Klingeln an der Tür
verhinderte Minuten später den Konsum eines dritten Glases. Kees stutzte. Wer
störte ihn ausgerechnet jetzt?
     
    ***
     
    Ronald
Rudjard war ziemlich sicher, dass im Arbeitsvertrag, den er vor nicht einmal
neun Tagen unterschrieben hatte, eindeutig festgelegt worden war, dass er feste
Dienstzeiten einzuhalten hatte. Er glaubte sogar, sich daran erinnern zu
können, dass es in einem klein gedruckten Absatz geheißen hatte, dass er von
jeglichen Überstunden bis zum Zeitpunkt seiner unbefristeten Übernahme
ausgenommen war. Die Aufgabe, die ihm der Hauptkommissar vor rund einer Stunde
und damit kurz nach Feierabend zugeteilt hatte, entsprach also nicht unbedingt
den vertraglich festgelegten Arbeitsbedingungen. In einem reichlich
verhedderten Halbsatz hatte er versucht, seinem Onkel genau das klarzumachen,
aber der hatte nur gelacht und gesagt: „Ronald, das ist keine Arbeits-, sondern
eine Freizeitbeschäftigung. Du trägst keine Uniform und nimmst den eigenen
Wagen. Alles, was du tun musst, ist, Commissaris Maartens zu benachrichtigen
für den Fall, dass Inspecteur Bloemberg unangekündigt

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