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Sonne, Schnee und Tote

Sonne, Schnee und Tote

Titel: Sonne, Schnee und Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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irgendwohin fährt. Sieh
es als zusätzliche Einsatzchance, um Einblick in die Beschattungsaufgaben der
Polizei zu erhalten. Ich weiß, du wirst mich nicht enttäuschen.“
    Danach
hatte sein Onkel ihn einfach im Flur stehen lassen.
    Ronald
saß in seinem türkisgrünen Fiat Punto, der mindestens so viele Jahre auf dem Buckel
hatte wie er selbst, und beobachtete aus einiger Entfernung einen Hinterhof in
der Pannekoekstraat. Inspecteur Kees Bloemberg war zusammen mit einer Flasche
Hochprozentigem hinter einer der Wohnungstüren verschwunden und hatte sich
seitdem nicht mehr blicken lassen.
    Die
Arbeit war langweilig und nicht mal die Tatsache, dass er mit Glück einen
perfekten, schwer einzusehenden Parkplatz für seine Beobachtungsaufgaben
gefunden hatte, tröstete ihn über die entgangenen Feierabendstunden hinweg. Er
fragte sich, wie lange er hier stehen sollte und wann er endlich nach Hause
konnte, aber Van Houden hatte nur verlauten lassen, dass er so lange wie nötig
vor Ort bleiben sollte und das wäre bis zum Zeitpunkt, an dem er sich
telefonisch bei Ronald meldete.
    Unerklärt
war auch geblieben, wieso er einen Kollegen beschatten sollte. Denn das machte
die Sache noch verwirrender für den jungen Surveillant. Seine ersten Eindrücke
von der Polizeiarbeit bestanden bislang ohnehin darin, dass viele Dinge getan
wurden, nur um getan zu werden; ohne irgendeinen größeren oder
nachvollziehbaren Nutzen.
    Ronald
kannte Kees Bloemberg zwar nicht, aber er hatte sich umgehört. In den
vergangenen Tagen hatte es auf dem Revier einiges Gerede gegeben. Auch wenn es
unterschiedliche Meinungen dazu gab, ob Bloemberg bereit für die Leitung einer
Mordermittlung gewesen war, so waren sie sich doch alle einig darüber, dass der
Inspecteur zweifellos talentiert, wenn auch eigensinnig war. Ronald hatte auch
erfahren, dass Bloemberg eine schwierige Jugendzeit durchgemacht und sich
trotzdem auf der richtigen Seite des Gesetzes durchgesetzt hatte. Der Mann
schien ein Polizist zu sein, der sein Handwerk verstand. Er war ohne Frage
einer, zu dem Leute wie Ronald aufschauen konnten, vielleicht sogar sollten.
Wieso musste er ausgerechnet diesem Mann hinterherspionieren? Jenem, der sich
eben mit einer Pulle Fusel in die eigene Wohnung verkrümelt hatte und mit
annährend hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit keinen Fuß mehr vor die Tür
setzen würde. Ronald wusste es nicht. Nur eines schien klar: einer langen Nacht
stand nichts im Wege. Er würde sie aussitzen müssen, bis man ihn erlöste.
Immerhin war es warm draußen. Es hatte vorübergehend aufgehört zu regnen und
die Sonne war rausgekommen.
    Minuten
verstrichen und je öfter Rudjard auf die Uhr sah, desto langsamer schienen sie
das zu tun.
    Irgendwann
zwischen der ersten und zweiten Stunde, die er wartend in seinem Auto
verbrachte, wurde die Langeweile unerträglich. Es gab nichts zu beobachten. Der
Hinterhof war völlig ausgestorben. Keine Menschenseele bewegte sich hier, kein
Auto fuhr vorbei, alle Fenster um ihn herum waren verschlossen und nicht einmal
dahinter zeigte sich die kleinste Bewegung. Er kam sich völlig fehl am Platz
vor, wie ein Tourist in einer Geisterstadt.
    Ronald
trommelte auf dem Lenkrad herum. Im Radio spielten sie Song von Newcomern aus
der Jazz und Reggae Szene, weil das North-Sea-Festival vor der Tür stand. Der
derzeit laufende Song „Killer is a friend of mine“ der Rotterdamer Jazz-Combo Jazz-iz-upz-n-downz hatte für Ronalds Geschmack einen richtig guten Flow und eignete sich
hervorragend zum Abschalten. Er zögerte, weil die humorlos streng
dreinschauende Fratze seines Onkels vor seinem inneren Auge auftauchte, dann
jedoch konnte er der Verführung des Moments nicht mehr widerstehen.
    Ronald
beugte sich hinüber zum Handschuhfach, kramte sich durch ein Chaos aus Papier
und anderem Müll und fand rasch ein unscheinbares, reichlich gefülltes
Plastiktütchen.
    Die
Menge des Inhalts verblüffte ihn, denn in den letzten Jahren hatte ein solcher
Beutel mit drei Gramm Grünzeug selten länger als eine Woche gehalten. Der, den
er jetzt in der Hand hielt und leicht zwischen den Fingerspitzen rieb, ging
beinahe in seine dritte Lebenswoche und war trotzdem noch randvoll. Auf
erschreckend banale Weise wurde ihm plötzlich eines klar: Zweifelsohne
veränderte der Polizeidienst sein Leben. Doch ganz von den eingeschworenen
Lastern lassen konnte oder wollte er nicht. Zumal sein Freundeskreis sich nicht
sobald änderte, auch wenn seinen Eltern sich das

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