Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonne, Schnee und Tote

Sonne, Schnee und Tote

Titel: Sonne, Schnee und Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
Vom Netzwerk:
Hacke!“, zischte sie erneut. Und während sie Kees,
der sich aufgrund der Zitronenscheibe in der einen Hand und des Tequilaglases
in der anderen nicht zu wehren vermochte, unbeholfen am Polohemd packte,
schossen ihr die Tränen in die Augen.
    „Sie
wissen doch, wo er ist …“
    Ihre
Stimme wurde brüchig, geriet ins Stocken, kämpfte mit einem Schluchzen und
brachte den Satz nicht zu Ende.
    Kees
war überfordert und es wurde nicht besser, als die junge Frau, die Hände
unentwegt an sein Hemd gekrallt, unvermittelt den Kopf an seine Brust sinken
ließ und weinte.
    Er
spürte das Ziehen in der linken Brust, den Druck, der sich von dort aus rasend
schnell ausbreitete, und kam dabei kaum noch zu Atem. Der Raum um ihn herum
schien sich aufzulösen. Alles drehte sich. Gedankenfetzen flogen vorbei. Da war
seine Mutter, die in der Küche kauerte, die Hände vor dem Gesicht. Da war sein
Vater, brüllend und betrunken, eine Flasche Exportbier schwingend. Da war er,
der Junge von gerade zehn Jahren, der alles hilflos mit ansah. Da war auch
Miriam, wie sie ihn anschrie, auf seine Brust trommelte und weinend zusammensackte
und dann wieder er, wie er, einer Statue gleich, versteinert dort stand und
wartete, unfähig etwas zu tun …
    Kees
schüttelte den Kopf. Er fühlte sich so hundsmiserabel wie hilflos. Niandee
schluchzte, rang nach Luft, wimmerte und schluchzte erneut.
    „Beruhigen
Sie sich“, brachte Kees über die Lippen, mehr nicht, nur immer wieder.
„Beruhigen Sie sich.“
    Er
glaubte kaum, dass seine Worte Niandee halfen, trotzdem fing
sie sich nach einigen Minuten und ließ von ihm ab . Sein Hemd war feucht,
aber das spielte kaum eine Rolle. Innerlich atmete Kees erleichtert auf.
Äußerlich versuchte er, eine möglichst ernsthafte Miene aufzusetzen und das
Ganze auf einer sachlichen Ebene zu betrachten. Ein schwieriges Unterfangen.
    „Erklären
Sie mir das?“, fragte er, stürzte den Tequila herunter, biss, den Konventionen
entsprechend, in die Zitrone und stellte danach beides achtlos auf einem lausig
zusammengezimmerten Beistelltischchen ab, auf dem auch sein Telefon einen Platz
gefunden hatte.
    Niandee
rieb sich die geröteten Augen, tupfte die letzten Tränen ab und schaute ihn
eine Weile nur trotzköpfig an. Sie erinnerte ihn auch in dieser Gestik
unangenehm an Miriam, aber das mochte an ihrem Schmollmund liegen, der -
abgesehen davon, dass ihre Lippen weitaus fülliger waren als die seiner Ex-Frau
- die gleichen Formen aufwiesen.
    „Helene
hat mir von dem Anruf erzählt“, flüsterte sie nach einer Weile und schlang
dabei beide Arme um ihre Brust.
    „Stopp!
Stopp! Stopp!“, entschied Kees automatisch und fuchtelte mit der rechten Hand
durch die Luft ,. „Ich verstehe nur Bahnhof. Vielleicht
können wir uns darauf einigen, dass ich nicht einfach mit einzelnen Sätzen
konfrontiert werde, die mitten aus irgendeinem Aspekt oder Geschehen gegriffen
sind, von dem ich nichts weiß.“
    „Na
schön. Na schön“, krächzte die junge Frau, räusperte sich und fand ihre Stimme
wieder. „Ich hatte versucht, Sie anzurufen, weil Sie mich am Vormittag einfach
abgewürgt hatten, wegen dieser Imar Sinan Geschichte und dem Ärger mit der
Presse. Ich wollte Ihnen helfen, erinnern Sie sich?“
    „Ja,
und ich habe abgelehnt.“
    „Darum
geht es auch gar nicht. Ich wollte trotzdem noch einmal nachhören. Sie gingen
nicht ans Telefon. Schließlich wurde ich durch eine Rufumleitung zu einer Frau
mit dem Namen Helene Hagerkamp durchgestellt. Die erzählte mir, dass Sie
aufgrund einer heftigen Diskussion mit ihrem Vorgesetzten bis auf Weiteres nicht zu erreichen seien. Ich habe ihr gesagt,
falls das irgendwas mit mir zu tun hätte, wäre ich gerne bereit, die Wogen zu
glätten und zu versichern, dass ich nichts mit diesem Zeitungsartikel zu tun
habe. Sie hat mir aber direkt gesagt, dass es nicht um den Artikel, sondern um
einen Anruf ging, der auf den Verbleib eines derzeit Vermissten Hinweise
lieferte. Natürlich schrillten bei mir sofort die Alarmglocken wegen Karim
Abusif. Also habe ich nachgehakt.“
    Kees
hörte aufmerksam zu. Er konnte sich dennoch bisher keinen Reim darauf machen,
was den hysterischen Auftritt der Frau vor nicht einmal fünf Minuten
rechtfertigen konnte.
    „Ich
nehme an, Frau Hagerkamp hat Ihnen daraufhin erzählt, worum es genau ging?“,
fragte er kritisch, zog eine Augenbraue hoch und beobachtete, wie Niandee
nickte, während sie an einer ihrer Manteltaschen herumnestelte.
    „Ja.
Ja, das hat

Weitere Kostenlose Bücher