Sonne, Schnee und Tote
sehnlichst herbeiwünschten.
Das
Drehen einer Tüte war keine Hexerei. Es erforderte lediglich ein bisschen Übung
und das notwendige Fingerspitzengefühl. Als Ronald damit vor rund fünf Jahren
angefangen hatte, hatte er Minuten gebraucht und dabei nur das ziemlich
verkrüppelte Exemplar eines Joints zustande gebracht. Mittlerweile war daraus
eine seiner leichtesten Übungen geworden und so hantierte er flink mit allen
notwendigen Utensilien herum, zerkleinerte, schichtete, verdichtete und rollte,
bis er wenige Augenblicke später zufrieden auf das Ergebnis seines Tuns blicken
konnte.
Es
würde das erste Tabakprodukt mit speziellen Ingredienzien seit seinem
Dienstantritt werden.
„Ein
Hoch auf diesen Spezialauftrag, Onkel Nicolas“, witzelte Ronald und spähte
sicherheitshalber noch einmal umher. Er war wenig erpicht darauf, von irgendwem
währenddessen überrascht zu werden.
An
der Szenerie im Hinterhof hatte sich nichts geändert. Noch immer umgab ihn das
Geisterstadtflair.
„Keine
Menschenseele weit und breit“, stellte er fest. Die eigenen Worte hatten etwas
Beruhigendes, trotzdem fingerte er einigermaßen nervös das Feuerzeug aus der
Innentasche des Dienstjacketts, das er nach Van Houdens Willen längst hätte
ablegen sollen, schließlich war er im Augenblick offiziell nicht offizieller
Funktion unterwegs. Ronald war das schnuppe. Er hatte keine Zeit gehabt, sich
umzuziehen und sie deshalb einfach anbehalten. Auch oder gerade jetzt, da er
sich seinen wohlverdienten Feierabendjoint gegen die Langeweile genehmigte,
weigerte er sich, die Uniform abzulegen.
Wenn
Onkel Van Houden ein Problem damit hat, soll er seinen beschissenen Kram doch
alleine machen .
***
Ronald
hatte es sich gerade bequem gemacht und den ersten Zug blauen Dunst durch die
Nase entweichen lassen, als das Intermezzo mit seinem liebsten Zeitvertreib ein
jähes Ende nahm. Durch das geöffnete Fenster hörte er schnelle Schritte. Erst
leise, dann immer deutlicher, bis sie plötzlich ganz nah waren. Schritte, die
nach Eile klangen. Schritte, die immer lauter von den umliegenden Hauswänden
widerhallten. Schritte von Schuhen mit Absätzen, die mit Entschlossenheit auf
den nassen Asphalt getrieben wurden. Klack, klack. Klack, klack. Klack,
klack.
Ronald
hielt den Atem an, drückte den Joint in den Ascher in der Mittelkonsole und
schaute sich um.
Klack,
klack. Klack, klack
Die
Schritte waren jetzt unmittelbar bei seinem Auto, aber er konnte ihren Ursprung
in der einsetzenden Dämmerung noch immer nicht ausmachen. Doch eine Sekunde
später huschte eine Frau mit schwarzen, zu einem Zopf gebundenen Haaren im
beigefarbenen Sommermantel an seinem Auto vorbei. Sie überquerte die Straße,
steuerte geradewegs auf die Tür zu, hinter der Kees Bloemberg vorhin mit der
Schnapsflasche verschwunden war und blieb davor stehen.
Bevor
sie den Klingelknopf betätigte, fuhr sie noch einmal herum und ließ einen
unruhigen Blick über den Hof schweifen. Ihre Züge wirkten streng und gleichzeitig
nervös.
Ronald
duckte sich, um ihren wachsamen Augen zu entgegen und
legte dabei eine Trägheit an den Tag, die an den Bewegungsablauf eines
Faultiers erinnerte. Es hatte den Anschein, als habe sie ihn dennoch nicht
bemerkt, denn im nächsten Moment drehte sie dem Surveillant den Rücken zu und
drückte abermals auf den Knopf neben der Tür.
Rudjard
beobachtete sie und trotz der nicht zu leugnenden Wirkung des gerade
angebrochenen Joints, machte sich in seinem Kopf die Befürchtung breit, dass
dies eine jener Situationen werden konnte, aufgrund deren er hergeschickt
worden war. Ihm graute vor dem möglicherweise anstehenden Telefonat mit
Commissaris Maartens unter Drogeneinfluss und so nahm er erst einmal reglos zur
Kenntnis, dass die Frau im Mantel die Tür geöffnet hatte und in dieser Sekunde
im Inneren des Wohnblocks verschwand.
***
Eine
funktionierende Gegensprechanlage oder zumindest ein funktionstüchtiger
Türspion hätten Kees Bloemberg günstigenfalls vor der Vehemenz bewahrt, mit der
Niandee Nasingh das Treppenhaus hinauf durch die geöffnete Wohnungstür in sein
Appartement gestürmt kam.
Ihre
Begrüßung bestand aus der Frage: „Warum tun Sie nichts!“ und ihre Verärgerung
ob der Tatenlosigkeit des Inspecteurs versuchte sie erst gar nicht zurückzuhalten.
Bloemberg war überrumpelt und wusste nicht sofort, was diese Frau, die er drei
Tage zuvor das erste Mal gesehen hatte, von ihm wollte.
„Warum
tun Sie nichts! Verdammte
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