Sonne, Schnee und Tote
sie … Was dagegen, wenn ich eine rauche? Ich … ich bin völlig durch
den Wind.“
„Man
merkt es kaum … wenn es Ihnen hilft nur zu.“
„Danke
… Also … Dieser Anruf bezog sich auf Karim und darauf, wo er sich derzeit
befindet. Und nicht nur das.“
„Nein?“
„Nein!
Der Anruf kam außerdem aus dem Gebäude, in dem Karim vermutlich gefangen
gehalten wird.“
„Wer
sagt denn etwas von „gefangen halten“?“
„Das
ist doch klar! … Was soll er sonst dort wollen?“, echauffierte sich Niandee,
nahm einen tiefen Zug und suchte nach einer Möglichkeit, den nach wenigen Sekunden
aufgerauchten Glimmstängel loszuwerden. Kees langte nach dem eben abgestellten
Glas und bot es ihr an.
„Vielleicht
versteckt er sich dort oder ist überhaupt nicht da, weil es sich um den Anruf
eines Trittbrettfahrers handelt“, präsentierte er ihr zwei andere Möglichkeiten
und gewann gleichzeitig den Eindruck, als besäße die Frau eine
unwahrscheinliche Gabe, emotionale Tiefpunkte extrem schnell wegzustecken. Denn
ihre Stimme war jetzt wieder deutlich fester und wurde von Satz zu Satz
angriffslustiger.
Dankbar
schnippte Niandee den Zigarettenstummel in den improvisierten Aschenbecher. Die
Tatsache, dass der übrige, zuvor verqualmte Teil der Zigarette den direkten Weg
auf Kees‘ Fußboden gefunden hatte, überging sie geflissentlich. „Der Anruf
stammt von der Festnetzleitung aus Hadoshs Lagerhaus. Frau Hagerkamp hat es mir
genauso versichert“, beharrte sie und ging dann noch einen Schritt weiter.
„Also, Inspecteur, warum tun Sie nichts?“
Kees
musste sich ein grimmiges Lächeln verkneifen, stellte aber nur trocken fest:
„Damit wären wir dann wohl wieder am Anfang unserer netten Unterhaltung
angekommen.“
„Hören
Sie mit dem Quatsch auf! Sie tappen seit Tagen nur im Dunkeln, dann bekommen
Sie einen Hinweis und gehen dem nicht nach?“
Die
Art, wie Sie mit ihm sprach, nervte Kees und rief ihm außerdem ins Gedächtnis,
weshalb er hier allein gehockt und versucht hatte, sich die Kante zu geben. Die
Frau war entweder völlig ahnungslos was seinen derzeitigen Zustand betraf oder
ganz gezielt hier, um ihn weiter fertigzumachen. Bewusst oder unbewusst wurde
sie zumindest keineswegs müde, genau in die Kerbe zu schlagen, die ihm sein
Vorgesetzter versetzt hatte und die ihm das Gefühl gab, auf ganzer Linie
versagt zu haben.
„Ich
bin nicht im Dienst. Morgen werde ich den Fall abgeben“, antwortete er hohl,
kratzte sich das bärtige Kinn, das ihn daran erinnerte, wieder einmal den
Rasierer in die Hand nehmen zu müssen und erntete einen scharfen Return.
„Es
geht um Leben und Tod! Im Dienst oder nicht? Drauf geschissen! Karim ist in
diesem Lagerhaus und er braucht vermutlich Hilfe. Ohne die wird er sterben.“
„Was
macht Sie da so sicher? Und warum kümmert es Sie überhaupt, was mit Karim
Abusif ist oder wird? Ich dachte, Sie kennen sich nur flüchtig“, donnerte Kees
plötzlich. Es war ein emotionaler Ausbruch, der ihn selbst überraschte, aber er
kam nicht von ungefähr. Kees hatte die Faxen dicke und das lag nicht allein
daran, dass sein Selbst Widerworte von Natur aus nur schwer ertrug, eine Macke,
die sich früh in sein Leben geschlichen hatte. Diese Frau legte es darauf an,
ihn zur Weißglut zu treiben und das hatte sie, seit sie in seine Wohnung
gestürmt war, wahrlich geschafft. Sie starrte ihn einige Sekunden aus ihren
großen Augen an und rang deutlich sichtbar um die gerade eben erst zurückerlangte
Fassung. Ihr Mund öffnete und schloss sich lautlos, die Hände vollführten vage
Gesten in der Luft. Kees vermochte das nicht zu besänftigen. Auch auf die
Gefahr hin, dass sie erneut in Tränen ausbrach, blieb er unnachgiebig.
Irgendetwas an diesem ganzen Theater war faul und er wollte wissen was.
„Welches
Interesse haben Sie an Karim Abusif, Frau Nasingh? Dafür, dass er nur ihr
Nachbar ist, machen Sie reichlich viel Wind um diese Sache.“
„Ich
… Nein … Es ist …. Weil ich …“, stammelte sie.
„Reden
Sie Klartext!“
„Ich
… Er ist mehr als nur ein Nachbar. Er ist ein guter Freund, mein bester
Freund.“
Kees
schnitt eine Grimasse und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Gestik war
unmissverständlich und forderte mehr Informationen, denn mit einem gestammelten
Halbsatz wollte er sich nicht abspeisen lassen.
Niandee
seufzte, zog eine weitere Zigarette aus dem Mantel und nahm zur Beruhigung
ihrer Nerven zwei schnelle Züge.
Einen
Moment lang standen sie nur
Weitere Kostenlose Bücher