Sonne, Schnee und Tote
durchaus möglich, dass
wir einen kurzen, unscheinbaren Besuch der Presse hatten. Das gibt sicher bald
ein Lauffeuer und mir bleibt gar nichts anderes übrig, als eine polizeiliche
Stellungnahme abzugeben, spätestens morgen.“
Nasridim
entgegnete nichts. Der Plan, die ganze Sache so unauffällig wie möglich zu
halten, in dem er seinen alten Freund Nicolas van Houden um diesen Gefallen
gebeten hatte, war fürchterlich fehlgeschlagen. Er wusste, dass jetzt noch
alles viel schlimmer werden würde, behielt dieses Geheimnis jedoch eisern für
sich.
***
Kees
Bloemberg saß schweigend auf dem Beifahrersitz seines eigenen Autos. Das
Seitenfenster hatte er heruntergedreht. Sein verrußtes Gesicht hielt er in den
lauwarmen Fahrtwind. Fred saß am Steuer und fuhr ihn nach Hause. Lange
herrschte zwischen den beiden Polizisten das Schweigen. Im Radio wurde heftig
über den umstrittenen Elfmeter für Deutschland diskutiert. Erst kurz bevor sie
die Pannekoekstraat erreichten, rang sich Bloemberg dazu durch, etwas zu sagen.
„Das
war mit Sicherheit kein Zufall“, murmelte er.
„Woher
willst du das wissen? Du hast das Spiel doch gar nicht gesehen.“
„Ich
rede nicht vom Fußball.“
„Sondern?“
„Ich
habe die Tür offen stehen lassen. Bin direkt reingelaufen, hab‘ versucht, den
Feuerlöscher aus dem hinteren Flur zu holen. Als ich bemerkt habe, dass die Tür
verschlossen ist, bin ich sofort zurück. Ich war sicher nicht länger als fünf
Minuten da drin.“
„Ach,
davon sprichst du. Lass dir eins sagen, Kollege, auch wenn es nur von einem
alten, degradierten Polizisten kommt. Selbst wenn du nur eine Minute drin
gewesen wärest, ist es trotzdem absolut dämlich von dir gewesen“, stellte Fred
seinen Standpunkt klar und schaute finster zu Kees rüber. Er war offensichtlich
immer noch sauer über Kees‘ unverhoffte Beförderung, dabei spielte das
Geschehene für ihn scheinbar überhaupt keine Rolle. Das regte Bloemberg
wiederum auf.
„Verdomme!
Fred! Uns ist die Leiche des Mordopfers unterm Hintern verbrannt. So wie Namir
Hadosh gebrannt hat, hat der Gerichtsmediziner sicher nicht mehr viel
herauszufinden.“
Fred
schüttelte vehement den Kopf.
„Hauptsache
ist, dass du lebend aus der Geschichte rausgekommen bist und jetzt geh dich
ausruhen. Aber sieh zu, dass dein Körper vorher noch eine Dusche sieht, du
stinkst nach geräuchertem Tierkadaver.“
Damit
stellte er den Wagen auf Bloembergs Stellplatz in einem Hinterhof der
Pannekoekstraat ab und stieg aus. Kees folgte ihm. An der Wohnungstür nahm er
seine Schlüssel entgegen. Eigentlich wollte er sich noch einmal bedanken, aber
Fred schien nicht gewillt, darauf zu warten. Bevor er noch etwas sagen konnte,
hatte sich der Commissaris wortlos umgedreht und ging davon. Bloemberg schaute
ihm nach, bis er aus seinem Blickfeld verschwunden war. Erschöpft entriegelte
er die Haustür und stieg die Treppen zu seiner Wohnung hinauf.
Wenige
Minuten später stand er unter der Dusche und fiel danach nackt ins Bett. Er war
todmüde, aber ihm schwirrten zu viele wirre Fragen im Kopf herum, die ihn,
neben den wiederkehrenden Hustenanfällen, dem Brennen seiner Lunge und den
Schmerzen seiner Rachenregion, davon abhielten, zu schlafen.
Karim
Abusif war zur Sicherheit als Wache im Kühlraum verblieben, aber Kees hatte ihn
dort nicht mehr gesehen. Wohin war er verschwunden? War er noch einmal dort
gewesen, ehe das Feuer ausgebrochen war? Und wo hatte sich Nasridim Hadosh zu
diesem Zeitpunkt befunden? Wer hatte die Türen verschlossen? Wer war der Kerl
mit der Kamera und wohin war er verschwunden?
Sosehr
er sich auch hin und her wälzte, er fand keine Antworten. Zwischendrin blitzen
immer wieder Bilder des verrauchten Kühlraumes und der brennenden Leiche vor
seinem inneren Auge auf und trieben ihm den Schweiß auf die Stirn. Dazwischen
mischten sich Erinnerungen an die letzten Tage seiner Ehe. Bis schließlich
alles zu einem wirren Gedankencocktail verwischte und er nichts Brauchbares
mehr daraus filtern konnte.
Erst
weit nach Mitternacht schlief er schließlich doch ein.
***
Fred
Maartens ging langsam durch das abendliche Rotterdam. Er trug einen ganzen
Packen voller Gedanken mit sich herum. Dieser Tag hatte mehr Aufregung mit sich
gebracht, als er sonst in einem ganzen Monat erlebte. Degradierung, k.o.
gegangen, den Kollegen vor dem Erstickungstod gerettet. Nachdenklich griff er
sich an den Hinterkopf und tastete ins Nasse hinein. Er nahm die
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