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Sonne, Schnee und Tote

Sonne, Schnee und Tote

Titel: Sonne, Schnee und Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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möchte.
    Versteh‘
mich jetzt bitte nicht falsch, Nasridim, aber willst du mir nicht erzählen, was
hier wirklich passiert ist? Oder soll ich dir ernsthaft die Geschichte glauben,
dass du hereinkamst, diesen Mann gesehen hast, dieser überrascht von deiner
plötzlichen Anwesenheit seine Pistole zog und das Feuer eröffnete. Soll ich dir
tatsächlich abnehmen, dass er dich dabei lediglich am Arm traf, während du mit
zehn aus deiner Waffe abgegebenen Schüssen - in all der Hektik - da hinten den
Kerl …“, er deute mit der ausgestreckten Hand auf den Toten, „ … in seinen Arm,
seine beiden Beine und mindestens zweimal in seinen Kopf getroffen hast. Und,
sag mir, will ich dir ganz ernsthaft glauben, dass das Notwehr gewesen sein
soll?“
    Van
Houden hielt inne. Ihm schlug weiter nur Schweigen entgegen.
    „Sag
mir, mein alter Freund, haben wir etwa ein kleines Vertrauensproblem? Ja? Nein?
Du sagst also nichts mehr zu diesem Vorfall? Nun, dann sage ich dir jetzt, wie
diese Szene hier aussieht. Ganz objektiv macht das hier auf mich folgenden
Eindruck. Der Kerl lungert in deinem Kühlhaus rum. Wieso und weshalb ist erst
einmal nebensächlich. Fakt ist: Er ist bewaffnet. Daraus lässt sich schließen,
dass er nicht ganz ungefährlich gewesen sein kann und dass deine Reaktion in
bedingtem Maße gerechtfertigt sein könnte, aber dazu später mehr. Also, er löst
den Hausalarm aus, flieht jedoch nicht. Warum? Vermutlich, weil er keine Angst
hat. Wieso, das ist auch erst einmal nicht wichtig. Jedenfalls überraschst du
ihn hier. Er zieht seine Waffe. Es kommt zum Schusswechsel. Du triffst ihn, er
trifft dich. Abgesehen von einem Streifschuss an der Hüfte passiert dir nichts.
Du jedoch triffst ihn - und ich rechne es einfach einmal deiner Erfahrung in
der tunesischen Sicherheitspolizei zu, wenngleich das schon mehr als zwanzig Jahre
her ist - während dieses ersten Schusswechsels exakt viermal. Willst du mir
sagen, wo du ihn erwischt hast oder soll ich weiter Mutmaßungen anstellen?“
    …
    Van
Houdens Gegenüber neigte den Kopf, sein Mund blieb verschlossen.
    „In
Ordnung. Ich denke, es ist so gewesen. Es steht in jedem Lehrbuch und wird
einem vermutlich in jeder Sicherheitseinheit zu anfangs eingebläut, dass eine
Entwaffnung des Gegners allererste Priorität hat. Du triffst ihn zuerst in den
Arm, der die Pistole führt. Sie fällt ihm aus der Hand, jetzt ist er
unbewaffnet und bekommt es mit der Angst zu tun. Er rennt ein paar Schritte,
aber du kannst ihn natürlich nicht einfach fliehen lassen. Also. Zweite Regel
bei der Unschädlichmachung von Gegnern. Schränke die Bewegungsfähigkeit deines
Gegenübers ein. Deshalb schießt du ihm zweimal in die Beine. Natürlich
erwischst du ihn und er fällt. Die Pistole liegt ein paar Meter entfernt. Er
liegt verletzt auf dem Bauch und kann sie unmöglich erreichen, bevor du ihn
kaltstellst. Also dreht er sich zu dir um und hofft auf Gnade, tja und an
dieser Stelle verlässt du leider den Pfad der Tugend, der in den Lehrbüchern
vorgezeichnet ist … Denn die einzige Gnade, die du ihm gewährst, ist der
Gnadenschuss und zwar aus nächster Nähe genau in den Kopf; mindestens dreimal …

    „Diese
Teufel haben nichts anderes verdient“, murmelte Nasridim, schob den Sanitäter
von sich und versuchte aufzustehen.
    „Verdient?
Sag mal, tickst du noch ganz sauber?! Diese Ermittlungen laufen ohnehin
außerhalb der gewöhnlichen Zuständigkeiten und jetzt schießt du einem wehrlosen
Einbrecher zwei-, dreimal vorsätzlich in den Kopf?! Hast du sie noch alle?!“
    Während
Van Houden mehr und mehr in Rage geriet, winkte Hadosh ab und stellte sich vor
dem Hauptkommissar auf. In seinem Gesicht lag kein Anzeichen des Bedauerns.
    „Sie
haben es verdient. Sie wollen mich zerstören“, beharrte er.
    „Das
reicht!“, brüllte Van Houden so unvermittelt, dass der auf dem Boden kniende,
seinen Verbandskoffer einpackende Sanitäter zusammenzuckte. Aber auch danach
fing der Hauptkommissar seine Stimme nicht ein.
    „Das
war’s, Nasridim! Ich habe versucht, dir einen Gefallen zu tun, weil ich dir
einen schulde. Das hier ist zu viel. Ich benachrichtige das zuständige Revier,
die sollen sich das hier genau anschauen. Zuerst der Mist im Kühlraum nebenan
und jetzt ein Fettsack mit zerschossenem Gesicht hier. Wenn du nicht mit mir
kooperierst, hast du schneller einen Prozess wegen Totschlag oder sogar Mord am
Hals, als dir lieb sein kann.“
    Van
Houden wollte sich an Nasridim vorbei zur

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