Sonne, Schnee und Tote
schob ungelenk einen Stapel Pornohefte auf Höhe des
Kopfkissens vom Bett.
„Pass
auf dich auf, Jung‘. Pass auf dich auf. Der Hadosh hat‘s faustdick hintern
Ohren‘. Wenn d‘ Imar findes‘ sag ihm en schönen Gruß un‘ grüß auch Miriam von
mir.“
Danach
schloss er die Augen.
Eine
Minute später hörte Kees ihn schnarchen.
Bevor
er ging, stellte er Bert den Mülleimer neben das Bett. Van Helig war zwar
trinkfest, aber man wusste nie, ob er sich nicht doch im Laufe der nächsten
Stunden dazu entschied, sich das Getrunkene noch einmal durch den Kopf gehen zu
lassen.
***
Kapitel 10
Um
halb sechs saß Kees wieder in seinem Wagen und fuhr zurück nach Rotterdam. Er
war unzufrieden. Abgesehen von einigen zusätzlichen Fragmenten, die aber in
dieser Geschichte noch immer kein Gesamtbild ergaben, hatte ihm der Besuch
nichts gebracht, als noch mehr Fragen und einer fast sicheren Abmahnung von Van
Houden dafür, dass er zu spät zurück sein würde. Da aber Letzteres sowieso so
gut wie sicher war, stoppte er an einem Autobahnimbiss und aß eine Portion Frites
Speciaal sowie zwei Frikandeln und gönnte sich eine große Cola.
Damit verbrauchte er einen Großteil des Geldes, das er noch in der Brieftasche
bei sich trug und welches noch bis zum Ende des Monats hätte reichen sollen.
Abgesehen von einer Handvoll Kleingeld blieb ihm nichts mehr. Statt sich jedoch
darüber den Kopf zu zerbrechen, war er zufrieden darüber, dass er wenigstens
für den Moment gesättigt war.
***
18:24
Polizeistation Rotterdam-Noord
„Meine
Anweisungen in dieser Sache waren eindeutig, Bloemberg. Eindeutig! Es gab da
keinen Spielraum für Interpretationen. Die zeitliche Vorgabe war klar. Glauben
Sie, Sie können sich alles erlauben, Inspecteur?“, blaffte Nicolas van Houden,
starrte Kees festnagelnd an und zeigte auf die Uhr an der Bürowand. Bloemberg
schüttelte den Kopf.
„Aber?“
„Nichts,
aber. Die Dinge erforderten mehr Zeit“, erklärte Kees leichthin und stachelte
den Hauptkommissar noch mehr an. Es war klar, dass das keine gute Idee war und
doch konnte er nicht anders, denn es entzog sich völlig seiner Kenntnis, welche
Gründe Van Houden in diesen Zustand unseliger Raserei versetzt hatten.
„Ach
so, damit ist dann ja alles geklärt. Alle Probleme ausgeräumt. Dann ist ja
alles ganz prima“, unkte der Hauptkommissar, nahm Kees damit die Möglichkeit
sich näher Gedanken um die Ursachen zu machen und schob sich dabei schrittweise
zum in der Tür stehenden Inspektor.
Als
er den Inspecteur erreicht hatte, stemmte er die Hände in die Hüften, baute
sich so gut es ging vor ihm auf und dann brüllte er unverhohlen los.
„Nein!
Nein! Nein! Nichts ist prima! Befehl ist Befehl! Sie haben Pflichten, die
erfüllt werden müssen. Es geht nicht, dass Sie gegen mich arbeiten. Hören Sie?
Das geht nicht!“
Es
war ein Donnerwetter in aller feinsten Hoofdcommissarisart, aber Kees ließ
sich, keiner Schuld bewusst, davon nicht einschüchtern.
„Ist
mir bekannt“, gab er knapp zurück und hielt Van Houdens dominierendem Blick
stand. Das schafften die wenigsten auf dem Revier.
Der
Hauptkommissar, näherte sich Bloembergs Gesicht bis auf wenige Zentimeter,
schnaubte und holte Luft für einen weiteren Wortschwall.
Doch
bevor es so weit kam, entschloss sich Kees, getrieben von einem aufziehenden
inneren Zorn, zum Gegenangriff. Ihm war egal, welche Konsequenzen das haben
mochte. Er wollte diesen Fall klären und es gab keinen vernünftigen Grund,
wieso sein Vorgesetzter in diesen Sekunden versuchte, ihn fertigzumachen. Er
hatte Van Houden nichts getan, wenn man davon absah, dass sich seine Rückkehr
um zwei Stunden verzögert hatte und das war wohl kaum der Rede wert. Fred
Maartens kam regelmäßig morgens zu spät und wurde deshalb nicht
zusammengebrüllt wie ein Sträfling.
„Sie
haben mir nicht erzählt, dass Sie so tief in diese Adoptionsgeschichte von
damals verstrickt sind“, sagte Kees und schob, „Haben Sie ein spezielles
Interesse daran, dass dieser Fall nicht aufgeklärt wird?“ hinterher.
Was
auch immer Nicolas van Houden hatte herausbrüllen wollen, in diesem Augenblick
war es ihm im Hals hängen geblieben. Kees spürte, wie die Wut seines Gegenübers
ins Unermessliche wuchs. Einen hochroten Kopf hatte der Hauptkommissar bereits
gehabt, als Kees das Büro zehn Minuten zuvor betreten hatte, aber die Farbe,
die sein Gesicht jetzt annahm, war eine undefinierbare Mischung aus Rot
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