Sonne, Schnee und Tote
zwischen
Rindfleischhälften herumgelungert zu haben. Was danach aus Imar geworden is‘
kann ich dir nich‘ sagen. Hab‘ ihn danach nich‘ mehr gesehen. Ich befürchte,
dass Petr Stojic bald andere Aufgaben für ihn gefunden haben wird, aber das war
schon damals nich‘ mehr meine Baustelle.“
Nach
dem letzten Wort klatschte sich Bert auf die Oberschenkel. Ihm schien eine Last
von den Schultern zu fallen.
„Du
hast also zugelassen, dass er zurück in die Hände dieses Dreckskerls getrieben
wird?“
Bert
schüttelte den Kopf und mit dem nächsten Satz offenbarte er die ganze
Betroffenheit seines Gemüts.
„Nein,
das is nicht wahr. Ich habe es leider nie geschafft, ihn dort wegzubekommen,
Kees. Das ist was anderes.“
Bloemberg
schluckte und war doch unzufrieden mit der Antwort. Etwas in seinem Inneren
trieb ihn dazu, mit seiner Kritik nachzulegen.
„Aber
du wusstest, dass er bei Stojic Unterschlupf gefunden hatte, und hast nichts
dagegen getan. Stojic ist ein dicker Fisch unter den Kriminellen Rotterdams. Er
hat seine Finger in der Stadt überall da im Spiel, wo es um organisierte
Verbrechen geht, Drogen, Raubüberfälle, Geldwäscherei und so weiter“, protestierte
er.
„Und?
Glaubst du Hadosh is‘ besser?“, fragte Bert in trauriger Abfälligkeit und
antwortete sich sofort selbst.
„Der
is‘ der größte Schweinehund, den ich kenn‘. Er sollte damals ausgewiesen werden
un‘ das nicht nur wegen der ständigen Gewaltausbrüche gegen seine eigene
Familie. Der Kerl hatte so viel Dreck am Stecken, dass man‘s gar nicht alles
aufzählen kann. Von der Steuerhinterziehung in großem Stil angefangen über
Geldwäscherei, Verstoß gegen Importbestimmungen bis zur Gefährdung der inneren
Sicherheit. Er war so gut wie weg vom Fenster, und glaub mir, es wär‘ besser
gewesen. Aber mit ein paar Manövern hat er sich überall rausgewunden un‘ die
Adoption Namirs war seine endgültige Absicherung gegen die Abschiebung.
Schätze, Nicolas hat dir davon nichts erzählt. Es is‘ nämlich schön untern
Tisch gekehrt worden, damals. Für Imar …“ Bert geriet ins Stocken und begann zu
husten. Mühsam unterdrückte er den drohenden Anfall und beendete den Satz mit
tränenden Augen. „… gab’s nur die Wahl zwischen Not un‘ Elend.“
Ein
weiteres Husten ließ Bert wieder verstummen. Er zog das Taschentuch aus seiner
Jogginghose und ließ dem Anfall seinen Lauf. Für eine Minute hörte Kees nur
noch das Keuchen des Hafenmeisters. Als sich Berts Lunge endlich beruhigt
hatte, wischte er sich den Mund ab und steckte das Tuch weg, als sei nichts
gewesen.
Kees
beobachtete ihn ohne etwas zu sagen und auch Bert ließ die Szene unkommentiert,
stattdessen beugte er sich nach vorn, öffnete die Kühlkiste und schnappte sich
ein Bier. Kees verkniff sich jegliche Bemerkung. Sekunden später ließ er mit
seinen Blicken von Bert ab und schaute hinauf zum Segel. Die Takelage
flatterte, weil Bert sie aus dem Wind gedreht hatte, und gab beständige,
knackende Geräusche von sich. Die Sonne war etwas weiter gen Westen gewandert
und der späte Nachmittag brach an. Kees schaute auf die Armbanduhr.
„Fünfzehn
Uhr durch“, stellte er fest. „Es wird Zeit, umzukehren.“
Als
Bert darauf nur die Flasche ansetzte, sie mit großen Schlucken leerte und keine
Anstalten machte, die alte Segeljacht in Bewegung zu setzen, legte Kees selbst
Hand an.
Fünf
Minuten später saß er am Steuer, das Segel im Wind, geradewegs in Richtung
Veere. Bert verharrte neben ihm, summte vor sich hin und starrte aufs Wasser.
Irgendetwas fehlte dem alten Sturkopf, aber er war nicht bereit, Kees wissen zu
lassen, was das war.
Der
Rückweg verlief schweigend. Als sie endlich anlegten, hatte Bert weitere
Bierflaschen geleert und benötigte Hilfe beim Landgang. Es grenzte an ein
Wunder, dass er den Steg schwankend und ohne unfreiwilliges Bad im Hafenbecken
verließ. Auf dem Weg zur Containerbehausung musste Kees den Hafenmeister
stützen. Dieser lallte dabei ein Lied vor sich hin, das mit sehr viel Fantasie
an „What shall we do with the drunken sailor“ erinnerte. In Berts Wohnquartier
angekommen plumpste der dicke Mann auf sein Bett. Schwankend saß er dort und
sah mit trüben Augen zu Kees hoch.
„Dank‘
dir für den Ausflug, Jung‘. Hätten wir öfter machen sollen in den letzten
Jahren. Geh jetz‘. Ich komm klar. Meld‘ dich ma‘ wieder, dann fahr‘n mir noch
mal raus un‘ dann säufst du einen mit.“
Bert
sank auf die Matratze und
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