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Sonne über Wahi-Koura

Sonne über Wahi-Koura

Titel: Sonne über Wahi-Koura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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Sie können ziemlich laut schreien.«
    Helena gelang es nach einigen Augenblicken, grün gefiederte Vögel mit einem auffallend gekrümmten Schnabel auszumachen, die sie an Papageien erinnerten. Sie turnten in den Baumwipfeln, und hin und wieder flatterte einer von ihnen krächzend auf.
    »Weißt du, ob es im Haus Bücher über die Pflanzen- und Tierwelt der Insel gibt?«
    »Ich weiß nicht, Madam. Vielleicht sollten Sie in die Stadt fahren.«
    »Madame hat keine Bibliothek?«
    »Doch. Aber ich glaube nicht, dass sie solche Bücher hat.«
    »Hast du schon mal nachgesehen?«
    »Adelaide putzt die Bibliothek. Ich darf da nicht rein.«
    Helena zog erstaunt die Augenbrauen hoch.
    »Madame möchte nicht, dass zu viele Leute in ihren Räumen herumlaufen. Adelaide ist unsere Vorgesetzte.«
    »Das habe ich bemerkt.«
    »Und ich bin für Sie verantwortlich.«
    Helena nickte. »Na gut, gehen wir weiter! Es gibt doch sicher noch mehr zu entdecken, nicht wahr? Außerdem sollten wir bald unser Picknickplätzchen finden.«
    »Ja, Madam.«
    Nach einer Weile erreichten sie eine Lichtung, die von hohen Bäumen umstanden war. Helena blickte fasziniert an den blassgrauen Riesen hinauf. Einige benachbarte Kronen waren so ausladend, dass sie miteinander verschlungen waren.
    »Was sind das für Bäume?«
    »Kauri-Bäume, Madam. Die Maori fertigen Boote daraus. Und die Schnitzereien in den maraes. Das sind unsere Versammlungshäuser.«
    Helena ging eine Weile schweigend neben Sarah. »Vermisst du dein Volk nicht? Deine Familie?«
    Sarah senkte den Kopf. »Mein Vater und meine Mutter sind tot.«
    »Dann hat Madame dich deshalb aufgenommen?«
    Sarah nickte nur.
    Helena war es inzwischen peinlich, dass sie offenbar unliebsame Themen angeschnitten hatte. Wäre ich doch nur allein gegangen!, dachte sie. Dann wäre ich nicht gezwungen, mühsam Konversation zu machen.
    In der Mitte der Lichtung schlugen sie ihr Lager auf. Sarah holte eine Decke aus dem Korb und breitete Gebäck, Obst und Limonade darauf aus.
    Der Wind frischte auf und milderte die brütende Hitze, die über dem Wald lag. Dankbar ließ sich Helena auf der Decke nieder. Erst jetzt merkte sie, wie sehr ihre Knöchel schmerzten.
    »Geht es Ihnen gut?«, fragte Sarah, die Helenas leises Stöhnen als Unwohlsein gedeutet hatte.
    »Ja, mir geht es sehr gut. Aber es ist nicht leicht, ein Kind mit sich zu tragen. Es wiegt von Tag zu Tag mehr.«
    Sarah lächelte versonnen in sich hinein.
    »Träumst du davon, eines Tages selbst Kinder zu haben?«
    Sarah errötete und senkte den Blick. Das Lächeln jedoch wollte nicht weichen.
    »Hast du denn schon einen Mann im Sinn?«
    »Einer der Pflücker gefällt mir. Aber Madame wird das nicht erlauben.«
    »So jung, wie du bist, sicher nicht. Aber wenn du älter bist, wird sie bestimmt nichts gegen eine Ehe einzuwenden haben. Irgendwann möchte doch jede Frau heiraten, oder?«
    Auf einmal wurde Helenas Kehle eng. Sie erinnerte sich daran, dass sie selbst nicht nach dem Eheglück gesucht hatte - bis ihr Laurent über den Weg gelaufen war. Vielleicht hätte ich damals nicht in den Kurpark gehen sollen, dachte sie bitter. Dann wäre mir viel Schmerz erspart geblieben.
    Seufzend schloss sie die Augen und lauschte dem Raunen des Windes und dem Vogelgesang - eine exotische Sinfonie. Die Wehmut vertrieb diese Musik nicht, aber Helena erkannte, dass ihr Gedanke Unsinn war. Die Zeit mit Laurent war wunderschön, und sie wollte keine Sekunde davon missen.
    »Du hast heute Morgen von einem Dorf gesprochen«, begann sie, als sie die Augen wieder öffnete.
    Sarah, die in Gedanken versunken war, schreckte auf. »Entschuldigen Sie, Madam.«
    »Was denn? Dass du geträumt hast? Das ist an diesem Ort unvermeidlich.« Helena lächelte freundlich, und Sarah entspannte sich ein wenig.
    »Ist das Dorf noch weit von hier entfernt?«
    Augenblicklich erbleichte Sarah.
    »Was ist mit dir?«, fragte Helena besorgt.
    »Sie wollen wirklich hingehen, Madam?«
    »Warum denn nicht? Die Maori sind doch sicher keine Menschenfresser, oder?«
    Sarah schüttelte den Kopf.
    »Die Maori aus dem Dorf mögen keinen Kontakt zu den Weißen, stimmt's?« Helena wusste, dass die britische Krone sehr viele der Ureinwohner Australiens getötet und deren Kinder zwangschristianisiert hatte. Ob das in Neuseeland auch geschehen war?
    »Die Maori wollen leben, wie sie es schon vor langer Zeit getan haben. Deshalb bleiben sie lieber unter sich. Außer wenn sie Handel treiben. Dann gehen sie manchmal in

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