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Sonne über Wahi-Koura

Sonne über Wahi-Koura

Titel: Sonne über Wahi-Koura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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zurück.
    Sarah wandte sich Helena zu. »Wir können passieren. Halten Sie sich an mich, Madam! Ihnen passiert nichts.«
    »Sollten wir nicht lieber eine andere Route wählen?«, fragte Helena, obwohl sie ahnte, dass es keinen anderen Weg durch dieses Dickicht gab.
    »Wenn wir jetzt zurückweichen, werden die Krieger glauben, dass wir Angst haben«, gab Sarah zu bedenken. »Das wird bei den Maori als Beleidigung angesehen.«
    Helena atmete tief durch und gab sich einen Ruck. Obwohl sie den Kitzel der Neugier spürte und sich über dieses Abenteuer freute, wuchs ihr Unbehagen, als sie an den Wächtern vorbeihuschte. Die Haltung der Männer wirkte noch immer wachsam. Die Speerspitzen waren aus einem grünen Stein gefertigt und vermutlich messerscharf. Helena erhaschte einen Blick auf die Schnitzereien, die ihre Waffen zierten. Ob die Schäfte der Speere auch aus Kauri-Holz gefertigt waren?
    Hinter den Wachen atmete Helena auf. Sie wagte zunächst nicht, sich umzudrehen. Als sie es nach einer Weile doch tat, waren die Männer verschwunden. Das unbehagliche Gefühl, dass sie sie weiterhin beobachteten, verging trotzdem nicht.
    »Waren das Krieger aus dem Dorf?«, flüsterte Helena, die so nah wie möglich hinter Sarah herschritt.
    »Ja, die Wächter des marae.«
    »Würden sie wirklich Leute angreifen, die durch diesen Wald reisen?«
    »Hier kommt nur selten jemand durch«, erklärte Sarah. »Wenn die Krieger glauben, dass Gefahr droht, blasen sie einfach in ihre Muschelhörner, um Verstärkung herbeizurufen.«
    »Und warum hat dich der eine Wächter so angefahren und mit dir gestritten?«
    »Das war kein Streit. Er hat mich gefragt, wohin wir wollen und wer Sie sind. Ich habe ihm erklärt, dass wir keine feindlichen Absichten haben.«
    Helena schnaubte empört. »Welche Absichten sollten wir auch haben? Das Dorf mit einem Picknickkorb anzugreifen?«
    »Auch Frauen können Kriegerinnen sein. Jedenfalls hier. Beim powhiri müssen die Frauen ebenso ihren Mut beweisen wie die Männer!«
    »Powhiri?«
    »Ein Begrüßungsritual. Aber jetzt bitte ich Sie, nicht mehr zu sprechen, Madam. Wir sind ganz in der Nähe.«
    Will sie mich ins Dorf hineinführen? Helenas Herz pochte aufgeregt. Ihre Neugierde auf diese völlig fremde Kultur wuchs mit jedem Schritt.
    Wenig später hörte Helena Stimmen. Ein berauschender Kräuterduft stieg ihr in die Nase. Nie zuvor hatte sie so etwas gerochen. Ein wenig erinnerte sie der Duft an Zimt, aber auch die Aromen von Kardamom und Nelken waren dabei. Gab es diese Gewürze hier? Oder täuschte sie sich? Gab es hier vielleicht Gewächse, die so ähnlich dufteten?
    »Was ist das?«, flüsterte sie Sarah zu.
    »Rongoa. Medizin.«
    »Wird dort ein Kranker behandelt?«
    »Nein, die tohunga, die Medizinfrau des Dorfes, trocknet ihre Kräuter ganz in der Nähe.«
    »Und es gibt keinen anderen Zugang zum Dorf?« Der Duft war Helena auf einmal zu aufdringlich. Ihr Magen rebellierte. Vielleicht wäre es besser zurückzugehen.
    »Wir wollen ja nicht ins Dorf, sondern es nur aus der Ferne beobachten«, bemerkte Sarah und setzte sich einfach ins Gras.
    Helena rang mit ihrer Übelkeit, doch die Neugierde siegte. Also hockte sie sich ebenfalls ins Gras. Sie entdeckte ein Loch im Blätterwerk, durch das sie das Treiben auf dem Dorfplatz verfolgen konnte.
    Die leuchtenden Stoffe, mit denen die Frauen ihre Körper verhüllten, waren atemberaubend. Was für wunderschöne Menschen!, dachte Helena. Die Kleiderfarben bringen den Teint wunderbar zur Geltung, egal, ob die Frau alt oder jung ist.
    Die wenigen Männer, die sich auf dem Dorfplatz befanden, waren wesentlich schlichter gekleidet. Sie trugen keine Baströcke wie die Wächter, sondern waren von der Hüfte abwärts in lange, in Erdtönen gehaltene Tücher gewickelt. Sie waren am Oberkörper ganz oder zur Hälfte tätowiert. Sie bewegten sich wachsam zwischen den Hütten. Die Frauen auf dem Platz verhielten sich ähnlich wie europäische Frauen, die sich unter der Dorflinde zu einem Schwätzchen zusammengefunden hatten. Dieser Vergleich brachte Helena zum Lächeln. Wie ähnlich sich Menschen doch sind! Wo sie auch leben, sie treffen sich, lachen, lieben, weinen. Sie bedauerte sehr, dass sie die Sprache der Maori nicht verstand.
    Helena sog die Eindrücke in sich ein, als wolle sie sie nie wieder vergessen. Sie spürte nicht einmal mehr, dass ihre Füße und ihr Rücken schmerzten.
    »Madam, wir sollten jetzt besser wieder gehen«, bemerkte Sarah nach einiger Zeit

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