Sonne über Wahi-Koura
deutlich. Doch das würde Louise ihr sicher nachsehen.
Um sicherzugehen, dass Louise nicht das Geringste auszusetzen hätte, übergab Helena das Kleid Sarah, damit diese es noch einmal bügelte.
Eine halbe Stunde später betrachtete Helena sich im Spiegel. Ihr Umfang hatte sich stark vergrößert, und das Schwarz ließ ihr Gesicht bleich erscheinen.
Bei dieser Hitze wäre sie gern in den kühlen Räumen geblieben, aber Louise würde das nicht hinnehmen. Um die Hitze wenigstens etwas erträglicher zu machen, steckte Helena ihr Haar zu einem Chignon zusammen. Erwarten die Leute aus Napier, dass ich mein Gesicht unter einem Witwenschleier verberge? Ach, lieber Laurent, du hättest bestimmt nichts gegen ein leichtes Sommerkleid einzuwenden gehabt!, dachte Helena traurig. Sie strich zärtlich über ihren Bauch, griff nach ihrer Stola und verließ das Zimmer.
In der Halle wurde sie bereits von ihrer Schwiegermutter erwartet. Ihr missbilligender Blick traf Helena wie ein Pfeil. »Sie wollen doch wohl nicht in dem Kleid in die Kirche gehen?«
Helena sah an sich herab. Hatte Sarah beim Bügeln Knitterfalten übersehen? »Was ist verkehrt daran?«
»Sie müssen wissen, dass die De Villiers einen sehr guten Ruf genießen. Wir sind eine angesehene Familie, seit mein Großvater 1833 mit James Busby nach Neuseeland kam und dieses Weingut gründete. Seither wird unsere Familie nicht nur mit Wein verbunden, sondern auch mit Noblesse. Niemals würden wir es wagen, unpassend gekleidet das Haus zu verlassen.«
»Verzeihen Sie, aber wenn es Ihnen lieber ist, dass ich hierbleibe, dann bin ich gern dazu bereit.«
Louises Blick wurde vernichtend. »Sie werden sich nicht vor den gesellschaftlichen Verpflichtungen drücken! Sie werden sich umziehen und mich begleiten. Und an Ihrer Stelle würde ich mich beeilen, denn die De Villiers kommen niemals zu spät!«
Helena war den Tränen nahe. Ich hätte es wissen müssen!, dachte sie verzweifelt. Ich kann ihr gar nichts recht machen. Selbst wenn ich perfekt wäre, würde sie noch etwas auszusetzen finden.
»Ich habe kein anderes!«, entgegnete sie trotzig. »Das ist das beste schwarze Kleid, das ich besitze, und ich kann daran keinen Makel erkennen.«
Louise musterte ihre Schwiegertochter abschätzig. »Ich habe Kleider, die passender sind. Sarah wird Ihnen eins bringen.«
»Ich soll eines Ihrer Kleider tragen?« Helena betrachtete skeptisch Louises zierliche Figur. Sollte Louise etwa eines ihrer alten Umstandskleider aufbewahrt haben? »Sie wollen mir doch nicht etwa ein uraltes Kleid aufdrängen!«
»Das ist immer noch besser als dieser unanständige Fetzen!«
Helena stützte empört die Hände in die Hüften. »Ihr Kleid ist über dreißig Jahre alt. Sie haben mir doch gesagt, dass Sie Wert darauf legen, dass ich Ihre Familie nicht blamiere.«
»Darauf lege ich sogar großen Wert. Und deshalb werden Sie Ihr Kleid nicht zum Gottesdienst tragen.«
»Dann ziehe ich das dunkelblaue an. Sie haben damals ja wohl kaum Schwarz getragen.«
Louises Miene verhärtete sich. »Sarah!«
Das Dienstmädchen eilte herbei, als hätte es nur auf diesen Ruf gewartet.
»Holen Sie meiner Schwiegertochter das Kleid, das ich herausgesucht habe!«
Sarah knickste und eilte davon.
»Und Sie gehen zurück in Ihr Zimmer und ziehen sich um! Ich erwarte Sie in zwanzig Minuten.«
Wütend rannte Helena in den Westflügel zurück. Am liebsten wäre sie davongelaufen. Niedergeschlagen sank sie auf ihr Bett. Wahrscheinlich wird diese Tyrannin auch nach dem Kirchgang keine Gelegenheit auslassen, mich niederzumachen, dachte sie und kämpfte gegen die Tränen an.
Wenig später klopfte Sarah.
Helena wischte sich über die Augen und sprang auf.
»Das ist das Kleid von Madame?«, fragte sie entgeistert, als Sarah eine schwarze Robe auf dem Bett ausbreitete. Die Seide raschelte leise. Der Empireschnitt unterschied sich nicht von dem von Helenas Kleidern. Zarte Spitze säumte die Ärmel und den Ausschnitt.
»Ja, das ist es.«
»Warum hat Madame während ihrer Schwangerschaft Schwarz getragen?«
»Das weiß ich nicht, Madam.«
Aber Helena hörte deutlich, dass Sarah nicht die Wahrheit sagte. »Ist in der Zeit vielleicht ihr Vater gestorben?«
»Nein, Monsieur de Villiers ist erst später gestorben. Da war Master Laurent schon zehn Jahre alt.«
Was verschweigt sie mir bloß? »Hilf mir bitte aus meinem Kleid!«
Noch immer regte sich Widerwille gegen Louises Gewand, so schön es auch war. Die Seide fühlte
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