Sonne über Wahi-Koura
feucht. »Sie erinnert mich ein bisschen an meine Schwester. Als ich Nelly zum ersten Mal sah, war ich sieben, aber ich erinnere mich noch heute an das rote Haarbüschel auf ihrem Kopf.«
»Ihre Schwester war sicher wunderbar.«
»Und Ihre Tochter ist wunderschön. Ihr Vater wäre sicher sehr stolz auf sie.«
»Das wäre er.« Unwillkürlich kamen Helena die Tränen.
»Entschuldigen Sie, ich wollte nicht ...« Newman zog ein sauberes Taschentuch hervor und reichte es Helena.
»Ist schon gut, Mister Newman, Sie können nichts dafür.« Dankend nahm sie das Taschentuch an und tupfte sich die Tränen von den Wangen. »Es ist nur so, dass mein Mann nie erfahren hat, dass er Vater wird. Er kam ums Leben, bevor ich es ihm sagen konnte.«
Newman senkte betreten den Kopf. »Das tut mir leid.«
Als Helena in die Augen ihrer Tochter sah, zog sich der Schmerz langsam wieder zurück.
Nachdem sie einen Moment schweigend nebeneinandergestanden hatten, räusperte sich Newman. »Ich sollte mal wieder gehen. Wir sind gerade dabei, den Most in die Reifefässer umzufüllen. Meine Leute arbeiten gut, aber es schadet nicht, ein Auge auf sie zu haben.«
»Die Presse läuft also?«
»Besser als erwartet. Nach dem Testlauf hatten wir zwar noch einige Zweifel, aber es klappt gut. Wir haben bereits zweitausend Liter gepresst.«
»Und die Qualität der Trauben?«
»Entspricht unseren Erwartungen. Wir werden einen großartigen Jahrgang bekommen. Hoffen wir nur, dass die Prohibition ausbleibt. Mit diesem Wein lassen sich Spitzenpreise erzielen.«
»Ja, das hoffe ich auch.« Helena lächelte verlegen. »Sobald es Ihre Zeit erlaubt, würde ich mir gern den Weinkeller ansehen. Hätten Sie etwas dagegen?«
Newman schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht! Allerdings sollten wir das nach Feierabend machen. Im Moment ist dort sehr viel los.«
»Ich weiß. Ich möchte auch nicht stören, mich interessiert nur, wie Sie die Fässer lagern. So habe ich wenigstens das Gefühl, nicht alles zu vergessen.«
»Sie haben gern auf Ihrem Weingut gearbeitet, nicht wahr?«
»Das Weingut war mein Leben. Mein Vater hat immer behauptet, man hätte mir Traubensaft unter die Muttermilch gemischt.« Helena lächelte angesichts der Erinnerung an die glückliche Zeit. »Ich wollte das Gut schon immer führen, und für eine Weile war es mir auch vergönnt.« Das Lächeln verschwand schlagartig. Helena senkte den Kopf. »Ich frage mich ständig, ob ich das Unheil nicht hätte vorhersehen sollen. Dann wiederum sage ich mir, dass niemand eine Reblausplage vorhersehen kann. Nicht mal die erfahreneren Winzer haben das getan.«
»Da stimme ich Ihnen zu«, sagte Newman aufmunternd. »Obwohl wir hier weit von der restlichen Welt entfernt sind, verfolgen wir das Geschehen in Europa. In Deutschland soll die Reblaus große Schäden anrichten, und niemand hat bisher ein Gegenmittel gefunden.«
Helena nickte bedauernd. »Wollen wir hoffen, dass irgendwer doch noch etwas findet. Mir würde es in der Seele wehtun, wenn all die alten Sorten zum Untergang verdammt wären.«
»Ich bin sicher, dass man einen Weg finden wird. Weinbauern sind erfindungsreich. Und sollte mir etwas einfallen, werde ich die europäischen Winzer benachrichtigen.«
»Das ist sehr nett von ihnen. Aber Sie haben andere Sorgen.« Helena und Zane sahen einander an.
Schließlich räusperte der Kellermeister sich und verabschiedete sich von Helena mit einem galanten Handkuss.
An der Tür blieb er noch einmal stehen. »Sie sollen wissen, wenn Ihre Tochter oder Sie irgendetwas brauchen ... Ich bin immer für Sie da.«
»Danke sehr, Mister Newman. Das weiß ich zu schätzen.«
Silverstone lehnte sich im Sessel zurück und musterte Manson stechend. »Haben Ihre letzten Anstrengungen irgendeinen Effekt gezeigt?«
Manson seufzte. »Leider nicht. Die Frau ist zäh wie eine alte Krähe.«
Silverstone schnaufte spöttisch. »Wenn ich ehrlich bin, habe ich auch nicht daran geglaubt, dass eine Vogelscheuche die Frau vertreiben kann. Ebenso wenig wie ein Attentat auf sie. Sie werden sich etwas anderes einfallen lassen müssen.«
Manson sprang auf, ging zur Anrichte und goss zwei Gläser Limonade ein. Die Hitze in seinem Büro hinderte ihn am Denken. Zu allem Überfluss war der Besuch des Viehbarons vollkommen überraschend erfolgt.
»Sie werden verstehen, dass meine Freunde und ich nur ungern die Grenzen des Gesetzes überschreiten wollen. Immerhin geht es hier um Größeres.«
»Dann machen Sie sich doch
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