Sonne über Wahi-Koura
aufmunternd zu.
Die kleine Laura wachte auf und plärrte, als das Wasser ihr Köpfchen nässte und der Reverend die Taufformeln sprach:
»Siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wohin du auch ziehst.«
Diesen Spruch aus dem 28. Buch Moses hatte Helena als Taufspruch ausgesucht. Als sie ihn nun hörte, wusste sie, dass sie ihre Tochter damit nicht nur unter den Schutz Gottes stellen wollte, sondern ihr auch ein ganz persönliches Versprechen geben wollte. Tief bewegt betrachtete sie ihr Kind. Sie wiegte es sanft in den Armen, um es zu beruhigen, während ihre Augen sich mit Tränen füllten.
Als sie aufschaute, sah sie geradewegs in Newmans Gesicht. Der Kellermeister wirkte so gerührt, dass es Helena beinahe die Sprache verschlug. Er lächelte beinahe zärtlich und blickte sie unverwandt an.
Helena schlug verlegen die Augen nieder und konzentrierte sich wieder auf das Gebet, das der Reverend gerade sprach. Nach dem Amen war die Taufzeremonie zu Ende, und sie kehrte zu ihrem Platz in der ersten Bankreihe zurück. Dabei fiel ihr Blick auf Louise, die sich gerührt ein Taschentuch vors Gesicht hielt.
Helena betrachtete ihr Kind, das wieder friedlich schlummerte. Deine Großmutter liebt dich genauso wie ich, kleine Laura, dachte sie froh. Vielleicht kannst du ihr ja eines Tages die Bitterkeit nehmen.
Nach der Taufe stiegen die Gäste, die zum Empfang auf Wahi-Koura geladen waren, in die bereitstehenden Kutschen. Der Wagenzug fuhr unter den staunenden Blicken der Passanten aus der Stadt.
Helenas Wangen glühten. Sie war erleichtert, dass die Zeremonie reibungslos vonstattengegangen war. Ihre Gedanken wanderten zu Zane Newman. Er hatte seine Aufgabe einfach perfekt gemacht. Sein Lächeln nach dem Taufspruch ging ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf. Irgendwie kam es ihr so vor, als habe er insgeheim auch ihr das Versprechen gegeben, sie stets zu behüten. Was ist nur los mit dir?, schalt sie sich. Das bildest du dir doch nur ein. Du fühlst dich einsam und bist anfällig für Gefühlsduselei! Er ist der Taufpate deines Kindes, weiter nichts.
»Sie haben meiner Familie Ehre gemacht«, bemerkte Louise, als sie eine Strecke gefahren waren.
Hat sie geglaubt, dass ich mich wie eine Idiotin benehmen würde?, fuhr Helena durch den Kopf. Aber sie zwang sich zur Ruhe: Sie hat dir ein Kompliment gemacht. Nur das zählt.
»Über Ihre tadellose Haltung am Altar wird die Gesellschaft der Stadt noch lange reden.«
»Vielen Dank, das ist sehr freundlich von Ihnen. Es war eine wunderschöne Zeremonie. Und der Altar war so passend geschmückt. Haben Sie dafür gesorgt?«
Louise schüttelte den Kopf. »Ich glaube, das haben wir Mister Newman zu verdanken. Er hat sich alle erdenkliche Mühe gegeben.«
Gedankenverloren blickte Louise zu den Hügeln, die sich im Dunst nur schwach abzeichneten.
Plötzlich lachte sie. »Die alte Maggie Simmons hat bei Ihrem Anblick dreingeschaut, als hätte der Blitz neben ihr eingeschlagen.«
»Welche der Damen war Mistress Simmons denn?«
»Die mit dem cremefarbenen Atlaskleid und den hennagetönten Haaren. Ein vollkommen unpassender Aufzug für eine Person ihres Alters.«
Helena versuchte vergeblich, sich an die Frau zu erinnern.
»Früher einmal hat die gute Maggie versucht, meinen Laurent für ihre Suzann zu begeistern. Abgesehen davon, dass ich dem niemals zugestimmt hätte, war auch mein Sohn klug genug, sich nicht mit ihr einzulassen.«
Helena schwieg dazu. Es überraschte sie, dass Louise etwas aus Laurents Leben preisgegeben hatte. Zu gern hätte sie mehr erfahren, aber so schnell dieser vertrauliche Moment gekommen war, so schnell verging er auch wieder. Louises Miene verdüsterte sich.
Bestimmt denkt sie wieder an Laurent, vermutete Helena, und auch ihr Herz wurde schwer. Wie würde es mir ergehen, wenn Laura etwas zustieße? Würde ich dann überhaupt weiterleben wollen?
Als sie auf das Gut zufuhren, bemerkte Helena, wie prachtvoll die Blumenarrangements waren, mit denen Haus und Garten geschmückt waren. Bei der Abfahrt hatte sie das wohl vor Aufregung übersehen.
Nach dem Aussteigen nahm Louise Helena beiseite. Sie deutete auf die Damen, die gerade in einer eleganten Kutsche vorfuhren.
»Das ist Eleanor Peckinpah, die Gattin eines der einflussreichsten Männer in der Stadt. Die Dame in Hellgrün ist die Frau des Bürgermeisters. Neben ihr sitzt Janice Norrington, die Gattin des hiesigen Stadtratsvorsitzenden. Diese Damen sind sehr wichtig für uns, von ihnen hängt
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