Sonne über Wahi-Koura
Hand reichte. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie nah er ihr gewesen war und wie geborgen sie sich bei aller Gefahr bei ihm gefühlt hatte.
Verlegen blickte sie sich nach allen Seiten um. Einige Gäste stürzten zu den Kutschen. Louise war nirgends zu entdecken.
»Ich glaube, wir können jetzt wieder ins Haus.«
»Glauben Sie, dass die Männer fort sind?«
»Ja. Wären Sie noch hier, hätten sie weiter gefeuert.«
»Wer ist zu so etwas fähig?«
Newman runzelte die Stirn. »Dieselben Leute, die auch einen Galgen in den Weinberg stellen. Die Kerle, die versuchen, Madame von ihrem Grund und Boden zu vertreiben.«
Im Haus flog ihnen Louise entgegen, kreidebleich und mit wirrem Haar. »Wo waren Sie? Warum sind Sie nicht bei meiner Enkelin?«
»Meine Tochter ist in Sicherheit«, antwortete Helena. »Ich hatte sie im Haus gelassen, damit sie abseits des Trubels schlafen kann.«
»Sie hätten sie nicht aus den Augen lassen dürfen!«
Helena ignorierte den Vorwurf und rannte an Louise vorbei in den Westflügel.
Die Scheiben des Salons waren unversehrt.
Laura lag in ihrem Körbchen und schlief seelenruhig.
Plötzlich versagten Helena die Knie. Mit letzter Kraft schleppte sie sich zur Chaiselongue, und dann brach sie in Tränen aus.
Am Abend saß Helena auf der Bank vor dem Haus und blickte in den Sonnenuntergang. Alles schien so friedlich, doch in ihr wütete die Angst. Die Polizisten hatten versichert, dass sie sich um den Fall kümmern würden. Aber wen sollten sie verhaften?
Newmans Männer hatten wiederum vergeblich nach den Schuldigen gesucht. Alles, was sie hatten, war ein Verdacht, den sie nicht beweisen konnten.
Immerhin war die Tauffeier nach dem Vorfall rasch zu Ende gewesen. Die Gäste, die nicht die Flucht ergriffen hatten, hatten sich unverzüglich verabschiedet.
»Sie sollten besser reingehen, Madam.«
Zane Newman trat neben sie. Seinen feinen Gehrock hatte er gegen grobe Arbeitskleidung vertauscht. Unter dem Arm hielt er ein Gewehr.
»Was wollen Sie denn damit?«, fragte Helena erschrocken.
»Ich habe beschlossen, mich ebenfalls an der Wache zu beteiligen.«
»Glauben Sie denn, dass es die Angreifer noch mal versuchen werden?«
»Es ist unerheblich, was ich glaube. Ich werde mit allen Mitteln verhindern, dass Ihnen und Ihrer Tochter etwas geschieht. Und wenn ich mir jede Nacht um die Ohren schlagen muss.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen.«
»Ich habe Ihnen versprochen, dass ich alles für Sie und die Kleine tun werde.«
»Dennoch ist es mehr, als Sie tun müssten.«
Newman lächelte sanft. »Das liegt, mit Verlaub, in meinem Ermessen. Bitte, Madam, gehen Sie wieder ins Haus und ruhen Sie sich aus! Sie hatten in letzter Zeit viel durchzumachen.«
Helena rührte seine Fürsorge zutiefst. Wer hätte das angesichts unseres ersten Treffens gedacht!
»Gut, Mister Newman!« Helena erhob sich und legte ihm die Hand auf den Arm. »Bitte, versprechen Sie mir, dass Sie auf sich aufpassen werden! Ich möchte nicht, dass Ihnen etwas zustößt.«
Der Kellermeister wurde blass. Er wandte sich hastig zum Gehen. »Gute Nacht, Madam.«
»Gute Nacht, Mister Newman!«
D RITTER T EIL
D AS G OLD VON W AHI -K OURA
1
Der Morgen dämmerte über dem Gut herauf. Das Tageslicht übertrumpfte den trüben Schein der Petroleumlampe, der auf Louises Schreibtisch fiel.
Da sie nicht mehr schlafen konnte, hatte sie sich bereits in aller Frühe an ihren Schreibtisch begeben, um die Post aufzuarbeiten, die in den vergangenen Tagen liegen geblieben war.
Obwohl es einige erfreuliche Schreiben gab, ging Louise der Angriff auf die Tauffeier nicht aus dem Sinn. Was werden sie sich als Nächstes einfallen lassen? Mich auf offener Straße niederschießen?, fragte sie sich.
Ihr Magen krampfte sich zusammen. Seufzend legte sie den Federhalter beiseite und zog die Schreibtischschublade auf. Unter einem Bündel von Briefen und Dokumenten zog sie einen schmucklosen braunen Umschlag hervor.
Eigentlich hätte ich diesen Wisch zerreißen sollen, ging ihr durch den Kopf, als sie ein Blatt herauszog. Das Angebot Mansons, ihr einen Teil ihres Landes abzukaufen, war ihr damals inakzeptabel erschienen, aber jetzt fragte sie sich, ob sie sich nicht auf das Geschäft einlassen sollte.
Zur Sicherheit meiner Enkelin, dachte sie, während sie voller Abscheu auf die mit Schreibmaschine verfasste Offerte blickte. Doch ist es nicht eher meine Verantwortung, ihr das Land zu hinterlassen? Und was wird aus den Maori?
Nein, ich werde
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