Sonne, Wind und Mord (German Edition)
„Ich danke Ihnen,
Hauptkommissar Van Houden.“
Gefolgt von zwei weiteren Polizeifahrzeugen in
Zivil, verließ der Dienstwagen das Polizeigelände.
„Nun gut, also laut GPS-Signal befindet sich
der Krankenwagen irgendwo hier.“ Er deutete auf das Display des im Wagen
integrierten Navigationssystems.
„Wie lange werden wir brauchen?“, wollte
Greenly wissen, ihm war nicht ganz wohl bei der großen Entfernung. Van Houden
zuckte mit den Schultern. „Schwer zu sagen. Je früher desto besser.“
***
01:30Nordholland,
Gemeinde Petten, Forschungsgeländ e
Vierundzwanzig Leitern war Kees Bloemberg
mittlerweile hoch und runter gestiegen. Vierundzwanzig Mal hatte eine
verschlossene Luke den Weg nach oben versperrt.
Vierundzwanzig Mal hatte er lauthals geflucht
und ein weiteres Stück Vertrauen in die Rettung Lindas eingebüßt.
Mittlerweile wusste er nicht mehr, wo er sich
befand. Er hatte, obwohl er ein Mann war und von Natur aus einen hervorragenden
Orientierungssinn besaß, die Orientierung verloren. Alle Gänge sahen gleich
aus, die Farbe der Rohre, der Abstand der Glühlampen, die Regelmäßigkeit, mit
der die Löcher in der Decke und die Leitern auftauchten. Es war zum
Verzweifeln, aber aufgegeben hatte Kees in seinem Leben noch nie. Er würde
weitermachen so lange er konnte, das stand außer Frage. Seine einzige Sorge war
es hier unten, bei der anhaltenden Kälte, früher oder später zu erfrieren und
das würde er, wenn er keinen Ausgang fand.
***
Linda Farber war benommen. Sie hatten einen
heftigen Schlag auf den Kopf bekommen, kurz nachdem sie aus dem Schacht
geklettert war und dann das Bewusstsein verloren. Jetzt, als sie langsam wieder
zu sich kam, bemerkte sie, dass sie, auf dem Rücken liegend, von jemandem an
den Armen durch die Gegend geschleift wurde. Ihr Blick war trüb und ihre
Gliedmaßen mochten ihr nicht gehorchen. Mit einiger Mühe drehte sie den Kopf.
Vor ihren Augen drehte sich alles. Sie erkannte zwei Gestalten in schwarzer
Kleidung, die sie durch einen hell erleuchteten Gang schleppten. Das Licht von
der Decke brannte in ihren Augen. Eine der Personen hatte den Kopf nach hinten
gewandt, sah sie an und sprach zu ihr. Linda verstand kein Wort. Nur ein nicht
identifizierbares, langgezogenes Genuschel drang an ihr Ohr und bereitete ihr
Kopfschmerzen. Angst machte sich in ihrem dröhnenden Schädel breit. Wo war
Bloemberg? Wer waren diese Kerle? Wo brachten die sie hin? Sie versuchte sich
zu wehren, aber bis auf ein schwaches Hin- und Herwinden ihres Körpers brachte
sie nichts zu Stande. Sie war völlig hilflos, schloss die Augen und war in der
nächsten Sekunde schon wieder in der Ohnmacht versunken.
***
Auch Luke Nummer 57 war verschlossen. Schwer
atmend hing Kees Bloemberg an der Leiter und stemmte noch mal mit aller Kraft
seinen Körper gegen das Eisen, zwecklos. Über eine Stunde hatte er jetzt
versucht, einen Ausgang zu finden und war sich mittlerweile nicht einmal
sicher, ob er einige der Aufgänge schon einmal hinauf geklettert war oder gar
zweimal. Die Finger waren vom andauernden Greifen der eiskalten Metallsprossen
blau angelaufen und schmerzten. Sein Atem ging schnell und das übrige Regenwasser
hatte in seinem Mantel begonnen zu gefrieren, so dass es bei einzelnen
Bewegungen hörbar knirschte. Er fragte sich, was mit Linda passiert sein
mochte. War sie überhaupt noch am Leben? Was Ronald wohl gerade tat, war er zum
Auto zurückgekehrt? So viele Gedanken kreisten ihm durch den Kopf, dass er
müder und müder wurde. Auf der Leiter stehend in fast vierzig Meter Höhe fielen
ihm die Augen zu. Er war müde, sehr müde. Seine Beine fühlten sich an wie Blei,
seine Arme waren mindestens genauso schwer. Er spürte seine Mattigkeit und
Schwäche. Sein Körper war nicht bereit weiter zu machen. Schlafen, einfach
ein paar Stunden ausschlafen, zu Kräften kommen . Es war so verlockend, sich
einfach in die Ohnmacht des Schlafes gleiten zu lassen, der einladend die Hände
ausbreitete.
Schlaf…
Kees Bloemberg schüttelte wild mit dem Kopf
und atmete ein paar Mal tief ein und aus. Wenn er jetzt einschlief, kam das
einem Todesurteil gleich. Er durfte nicht aufgeben, solange er am Leben war,
musste er einen Ausgang suchen, so sehr sich sein Körper auch dagegen sträubte.
Vorsichtig setzte er einen Fuß unter den anderen und begann mit dem mühsamen
Abstieg, immerhin blieben ihm noch rund 75 Luken, bei denen er es noch nicht
versucht hatte.
***
Linda Farber öffnete
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