Sonne, Wind und Mord (German Edition)
Innentasche zu fummeln, als jemand wenige Meter hinter ihm
seinen Namen aussprach. Irritiert drehte er den Kopf.
Senator Jonathan P. Smith war vor wenigen
Minuten in Rotterdam eingetroffen. Der Privatjet des Politikers hatte über eine
halbe Stunde warten müssen, ehe er die Landeerlaubnis auf dem Flughafen
erhalten hatte. Er war hier als Interessenvertreter der amerikanischen Wirtschaft
und würde, genau wie Michael Greenly, am Umweltgipfel teilnehmen. Die Aufgabe
des 62-jährigen J. P. Smith würde jedoch nicht darin bestehen, Veränderungen
herbeizuführen, sondern ermahnend den Zeigefinger zu heben, wenn irgendeine
einfältige Expertenkommission wieder einmal darauf pochte, dass Amerika seine
Industrieemissionen senken musste. Kurz gesagt: Der grantige, alte Politiker
mit der Halbglatze, den kleinen, gemeinen Augen, die hinter einer Brille mit
Metallrahmen steckten und der markanten Warze unterhalb des linken Mundwinkels,
war aus einem einzigen Grund hier. Er würde Blockadepolitik betreiben. Das
wiederum machte den Mann, der in Vietnam gedient hatte, in die
Sicherheitspolitik seines Landes eingestiegen und schließlich zu einem der größten
Verfechter der Interessen der amerikanischen Industrie geworden war, zu einem
direkten Gegenspieler Greenlys. Smith hatte schon mehrere Male im
amerikanischen Kongress bewiesen, dass er dem Umweltpolitiker ein Dorn im Auge
sein konnte.
In Michael Greenlys Augen war Jonathan P.
Smith ein hinterlistiger Lügner und Tatsachenverdreher, der durch die ganzen
Schmiergelder der Ölindustrie so aalglatt war, dass man als gewissenhafter
Mensch nur ein einziges Gefühl für ihn empfinden konnte. Abgrundtiefe Abscheu.
Greenly war nicht überschwänglich erfreut,
dass es eben jener Senator war, der dort am Rotterdamer Flughafen vollkommen
unscheinbar hinter ihm auftauchte.
„Mister Greenly, wie schön, Sie auch hier
anzutreffen“, begann Smith mit der gewohnt monotonen Stimme und streckte die
Hand höflich zum Gruß aus. Greenly biss sich auf die Unterlippe und zögerte,
nahm die Begrüßung dann jedoch widerwillig an und schüttelte diplomatisch die
knochige kalte Hand.
„Senator Smith. Die Freude liegt ganz auf
meiner Seite“, sagte er neutral, musste sich jedoch zusammenreißen, um dabei
nicht spöttisch zu wirken.
„Ziemliches Mistwetter hier in Europa.“
„Das können Sie laut sagen.“
„Eine wahre Wohltat, wenn man einen fahrbaren
Untersatz hat, mit dem man sich zum Hotel bringen lassen kann, nicht wahr?“
Die Frage klang freundlich, doch schwang in
ihr eine gehörige Portion Hohn mit. Michael Greenly überlegte kurz und
entgegnete dann.
„Ich weiß zwar nicht, woher Sie wissen, dass
mein Wagen nicht pünktlich zur Stelle ist, aber ich kann mir gut vorstellen,
dass es sicher angenehmer wäre, bereits auf dem Weg ins Hotel zu sein, anstatt
hier herumzustehen und…“
„…mit mir reden zu müssen“, beendete Smith den
Satz und lächelte selbstgefällig.
„Hören Sie, Greenly. Ich weiß, dass Sie mich
nicht besonders mögen, aber möchten Sie wirklich die nächsten zwei Stunden hier
auf Ihren Wagen warten?“
Greenly sah ihn ungläubig an. Smith war dafür
bekannt, falsche Informationen zu verbreiten.
„Ja, zwei Stunden, Mister Greenly. So lange wird
es dauern, bis Ihr Ersatzfahrzeug hier ist. Mein Sekretär hat eben mit der
Botschaft telefoniert und rein zufällig von diesem Fauxpas erfahren. Der Wagen
wurde vor zehn Minuten in Den Haag auf den Weg geschickt und wird in frühestens
zwei Stunden hier sein.“
„Und was schlagen Sie vor, Mister Smith?“,
fragte Greenly trocken.
„Na hören Sie mal! Wir sind doch Kollegen.
Kommen Sie doch mit mir. Mein Dienstwagen steht, im Gegensatz zu Ihrem, vor dem
Flughafen bereit. Meine Männer haben ihre Hausaufgaben gemacht,
Ihre offensichtlich nicht.“
Er bedachte Greenlys Sekretär mit einem
herablassenden Blick.
„Sie müssen auch ins Hilton, nicht? Also
fahren Sie bei mir mit!“
Der Umweltpolitiker lächelte schwach.
„Sehe ich so verzweifelt aus?“, fragte er
schließlich. Smith zuckte mit den Schultern.
„Ich weiß nicht. Ich weiß nur, dass ich keine
Lust hätte, drei Stunden am Flughafen zu verharren. Vor allem nicht vor einer
so bedeutenden Rede.“
Smith ließ die Worte einen Augenblick sacken
und sie verfehlten ihre Wirkung nicht. Greenlys Gesichtsausdruck verzog sich,
als hätte er in eine Zitrone gebissen.
„Also, was ist nun? Ich habe noch ein paar
wichtige Dinge zu
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