Sonne, Wind und Mord (German Edition)
ich?“, fragte er den Hafenwächter.
„Ja, wie gesagt ‘ne komische Sache. Hab so was
nie vorher gesehen. Ganz schön freaky .“
„Es gibt Schlimmeres“, versuchte Kees zu
relativieren.
Langsam kniete sich Bloemberg neben den Toten
und untersuchte die groteske Verrenkung des Gelenkes. Dann fischte er ein paar
Hygienehandschuhe aus den Tiefen seines Mantels und schlüpfte mit den Händen
hinein.
„Ich hoffe, Sie haben Ihre Handschuhe auch
dabei, Surveillant“, sagte er, ohne aufzusehen.
„Äh ja… äh…Moment.“
„Guter Mann“, brummte der Inspektor abwesend,
während er mit den Augen die unnatürlich weit auseinanderliegenden Finger der
toten Hand untersuchte. Vor allem der Daumen war extrem, zum Handgelenk hin,
verbogen und man erkannte deutlich, dass der Knochen am Handansatz aus dem
Gelenk gesprungen war. Bloemberg befühlte ihn vorsichtig. Der Daumen saß fest -
wie angeschweißt. Schließlich versuchte er, die weit gespreizten Glieder der
Hand ein wenig zusammenzudrücken. Sie blieben fest an ihrem Platz, als wäre es
der letzte Wille des Toten gewesen, dass sich die Tasche unmöglich vom
Handgelenk lösen konnte. Natürlich war das Blödsinn. Die Totenstarre und die
einsetzende Denaturierung der einzelnen Muskelzellen und Sehnen sorgten dafür,
dass die Finger so verkrampft auseinander standen. Ähnlich verhielt es sich mit
dem Handgelenk. Bei dem ging der Inspektor jedoch auch davon aus, dass es
gebrochen war. Es war um mindestens 90 Grad zu weit in eine ganz und gar
unmögliche Position verdreht.
„Was könnte da drin sein?“, fragte er, ohne
aufzuschauen, und tippte nachdenklich auf die lederne Aktentasche. Niemand
antwortete ihm oder vielleicht wollte man ihm auch einfach nicht antworten.
„Nun, dann müssen wir es wohl herausfinden,
nicht wahr?“
Wieder keine Antwort. Bloemberg nahm das als
zustimmendes Schweigen und begutachtete erneut das verdrehte Handgelenk. Dann
packte er mit der einen Hand den Unterarm, umschloss mit der anderen die
Handfläche des Toten und mit einem plötzlichen Ruck und einem unappetitlichen
Knacken gelangte Van Kessners Hand wieder in die Position, die ihr ursprünglich
zugedacht war. Jetzt war es ein Leichtes, den Griff über die Finger hinweg zu
ziehen. So dass die Tasche im Nu frei war.
Nachdem Kees Bloemberg Ronald Rudjard die
Tasche gegeben hatte, damit dieser sie als Beweismittel kennzeichnete, bückte
er sich wieder herunter zu dem Professor und untersuchte den Körper nach
weiteren Auffälligkeiten.
„Wollen Sie nicht nachsehen, was in der Tasche
ist?“, fragte Linda Farber, da sich Bloemberg nun doch nicht weiter für das
braune Designerstück zu interessieren schien. Der Inspektor hielt kurz mit
seiner Untersuchung inne und sah der Wissenschaftlerin genau in die Augen.
Damit hatte er gerechnet. Ihr Blick bestätigte seinen ersten Gedanken. Frau
Farber hatte ein ernstzunehmendes Interesse am Inhalt der Tasche. Wieso das
aber so war, darum konnte er sich später immer noch kümmern. Statt auf die
Frage einzugehen, wandte er sich, nach einigen Sekunden, einfach wieder ab und
setzte die Untersuchung an der Leiche fort.
„Wo habt ihr das Portemonnaie und den
Personalausweis des Toten gefunden?“, fragte er den jungen Hafenwächter, der
teilnahmslos im Regen stand.
„In seiner linken Gesäßtasche“, antwortete der
junge Mann schlicht und sah dann gelangweilt hinauf in den grauen Himmel.
Bloemberg runzelte die Stirn.
„Wir müssen ihn umdrehen“, stellte er dann
fest. „Rudjard, helfen Sie mir.“
„Ich… oh… äh in Ordnung. Darf man das denn
überhaupt?“
„Surveillant, nur die Polizei darf das“,
erklärte Bloemberg.
„Oh… ja dann lassen wir das doch lieber… oder
nicht?“
„Surveillant, wir sind die Polizei! Und jetzt
kommen Sie endlich her und helfen Sie mir!“ Ronald Rudjard stellte die
gekennzeichnete Aktentasche beiseite und beugte sich unsicher hinunter.
Bloemberg gab die entsprechenden Anweisungen und zusammen drehten sie den
Professor herum. Der ohnehin lähmende Gestank schlug ihnen nun vollends
entgegen. Der Surveillant begann, zu würgen und taumelte drei Schritte zurück.
Bloembergs Blick wanderte unterdessen wachsam über Van Kessners Körper und
widmete sich dann der dicken schwarzen Winterjacke, die der Tote trug. Ihm fiel
auf, dass die linke Außenbrusttasche eingerissen war. Vorsichtig griff er
hinein. Linda Farber beobachtete gespannt jede seiner behutsamen Bewegungen,
aber er fand nichts. Die
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