Sonne, Wind und Mord (German Edition)
getragen hatte, hatte er auf halber Strecke zurück zum
Hotel weggeworfen. Dreimal war eine Windböe in den Schirm gefahren und hatte
ihn nach hinten gerissen. Das hatte Greenly jedes Mal einige Sekunden gekostet.
Jetzt, da er beinahe wieder beim Hotel war - durch und durch nass - war er sich
nicht sicher, ob es sich für die wenigen Sekunden gelohnt hatte, sich davon zu
trennen.
Er eilte gerade zwischen den geparkten
Limousinen hindurch, hinüber zur Sicherheitsschleuse, da rief hinter ihm
jemand.
„Halt, Politi! Bleiben Sie stehen!“
Greenly verstand nicht, leistete der Stimme in
seinem Rücken dennoch Folge. Er blieb stehen und wandte langsam den Kopf. Zwei
uniformierte Polizisten schritten zügig auf ihn zu. „Identifizieren Sie sich
bitte! Besitzen Sie einen Zugangspass zu Sektion B?“
Greenly, der in diesem Augenblick andere
Sorgen hatte, verstand zuerst nicht, dann machte es aber doch klick. Die
Innenstadt war von den örtlichen Sicherheitskräften in verschiedene
Sicherheitssektionen eingeteilt worden. Die Sektionen A und B konnten nur
betreten werden, wenn man einen Zugangspass besaß und abgesehen von den
Vertretern des Klimagipfels und deren Mitarbeitern besaß eigentlich niemand
einen solchen Pass. Schnell zückte der Politiker sein Portemonnaie, wühlte
darin herum und fand die Plastikkarte mit dem elektronischen Chip. Zügig
reichte er den Polizisten die Karte. Mit Hilfe eines tragbaren Lesegerätes
überprüften die Uniformierten seine Identität. Die Prozedur zog sich ein, zwei
Minuten hin. Greenly verlagerte nervös sein Gewicht immer wieder von einem Bein
auf das andere, während der eiskalte Regen auf ihn hinab fiel.
„In Ordnung, Mister…. Michael Greenly, es tut
uns leid, wir müssen diese Kontrollen durchführen, sonst könnte ja hier jeder
ein- und ausgehen. Einen angenehmen Aufenthalt in Rotterdam wünschen wir.“ Die
Polizisten zogen kurz die Dienstmützen und machten dann kehrt, um ihre
Patrouille in Sektion B fortzusetzen. Michael Greenly hastete in die
entgegengesetzte Richtung zum Hoteleingang.
***
16:50 Veere, Winterhafen
Der Regen trommelte auf das Dach des
Wohncontainers. Vom heftiger werdenden Wind gepeitschte Regentropfen klatschten
gegen die kleinen Fenster. Draußen braute sich ein zorniger Wintersturm
zusammen.
„Inspecteur?... Inspecteur?... Inspecteur!?“
Eine bekannte jugendliche Stimme zischte leise
ins Ohr des Inspektors. Mühsam öffnete er die Augen. Alles um ihn herum war
verschwommen, sein Schädel dröhnte.
„Gott sei Dank! Sie leben noch.“
Bloemberg erkannte Ronald Rudjards Stimme,
hörte sich irgendwie erleichtert an.
Nur langsam kehrte die Schärfe zurück in
Bloembergs Blick. Er lag auf dem Fußboden im Eingangsbereich, vermutlich genau
an der Stelle, an der man ihn mit einem Fausthieb direkt in die
Bewusstlosigkeit geschickt hatte. Sein Körper lag auf der Seite, die Hände
weiterhin auf dem Rücken gefesselt. Mühsam wandte er den Kopf, um zu sehen, wo
Ronald, dessen Stimme er eben vernommen hatte, war.
Der junge Surveillant saß noch immer auf dem
Stuhl, da wo Bloemberg ihn das letzte Mal leblos hatte sitzen sehen. Mit den
Händen an die eigenen Füße und die Stuhlbeine gefesselt, das Gesicht noch immer
auf der Tischplatte liegend, war der Surveillant genauso hilflos wie Kees.
Trotzdem erkannte er im Blut verschmierten Gesicht des jungen Mannes ein
befreites Lächeln.
„Ronald…, alles in Ordnung?“, fragte Bloemberg
schwach und bemühte, sich das Zittern in seiner Stimme zu kontrollieren.
„Nicht wirklich, Inspecteur… ich bin froh,
dass Sie leben.“
„Dasselbe kann ich von dir behaupten“,
erwiderte Bloemberg und ließ seinen Blick - soweit es möglich war - durch den
Raum schweifen. Er war überrascht. Sonst war niemand hier. Von den Killern
keine Spur. Aber auch die deutsche Wissenschaftlerin war nirgends zu sehen.
Kees ahnte sofort, dass etwas nicht stimmte.
„Wo… sind die anderen… wo ist… wo ist Linda?
Wie lange war ich weg?“, fragte er. Die Antwort drang in diesem Moment aus Van
Heeligs Schlafzimmer zu ihm herüber. Das panische Schreien einer Frau.
Linda Farber lag zusammengekauert auf Van
Heeligs altem, wackligem Bett. Das muffig riechende Bettzeug ließ darauf
schließen, dass es seit Jahren nicht gewechselt worden war. Linda wollte gar
nicht wissen, welche Art von Flecken sich hier und da am mintgrünen
Spannbetttuch offenbarte. Dass sie zwangsläufig an eingetrocknete Spermareste
eines einsamen
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