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Sonne, Wind und Mord (German Edition)

Sonne, Wind und Mord (German Edition)

Titel: Sonne, Wind und Mord (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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seine Gedanken um den gestrigen
und den heutigen Tag. So viel war schiefgelaufen. Er war mittlerweile 42. Sein
glattes blondes Haar begann an einzelnen Stellen zu ergrauen. Seit nunmehr 20
Jahren machte er das jetzt, aber noch nie hatte ihm ein Auftrag derartige
Probleme bereitet. Noch nie war ihm das passiert! Und das bei zwanzig Jahren
Erfahrung.
    Angefangen mit dem planmäßigen Ermorden von
Menschen hatte er in seiner ostdeutschen Heimat. Noch kurz vor dem
Zusammenbruch der DDR hatte er als Grenzsoldat darauf geachtet, dass niemand
aus dem Land floh. Dabei hatte er ein paarmal auf Menschen geschossen, aber nie
jemanden getötet. Die armen Schweine, die er erwischt hatte, waren von der
Stasi in Gefängnisse gebracht worden, in denen ein weitaus schlimmeres Ende auf
sie gewartet hatte. Dieser Gedanke hatte den aus zerrütteten
Familienverhältnissen stammenden Grenzsoldaten zufrieden gestellt. Der Dienst
an der Waffe war sein Ein und Alles gewesen, nichts anderes in seinem schäbigen
Leben hatte damals einen Sinn gemacht. Und dann war dieser Sinn verlorengegangen.
Kurz nach dem Mauerfall hatte Joe, der eigentlich Johann Kampfert hieß,
plötzlich keine Perspektive mehr gehabt. Seinen Beruf hatte er zwangsläufig
verloren, weil es keine Mauer mehr gab, die es zu bewachen galt, seine
familiäre Situation, die seit Jahr und Tag eine traurige Geschichte gewesen war
und die Perspektiven - wie gesagt: Es hatte keine Perspektiven gegeben im
verhassten kapitalistischen Deutschland. Joe war in ein emotionales Loch
gefallen. Er hatte keine Arbeit, kein Einkommen mehr gehabt und das Land, in
dem er, wie selbstverständlich, groß geworden war, hatte von einem auf den
anderen Tag nicht mehr existiert. Nach einigen Monaten des Dahinvegetierens in
einer Wohnung, die zum Schluss nur noch nach Alkohol und Erbrochenem gestunken
hatte, hatte Johann Kampfert beschlossen, seine ostdeutsche Heimat zu
verlassen. Er hatte nicht viel mitnehmen können und war mit dem wenigen Geld,
das er noch besessen hatte, gerade bis nach Hamburg gekommen. Dort war er
aufgrund seiner kräftigen Statur als Hafenarbeiter gern gesehen gewesen, aber
seine Arbeitsmoral stellte ihm immer wieder ein Bein. So war er nicht lange
Arbeiter im Hafen geblieben. Am letzten Abend dann - er hatte längst
beschlossen der Stadt den Rücken zu kehren - war er in einer Kneipe in eine
Schlägerei geraten. Ein paar junge Männer, etwa gleichen Alters, hatten sich
über das äußere Erscheinungsbild Johanns lustig gemacht. Er hatte nicht lange
gefackelt und sie alle zusammengeschlagen. Er war dafür ein paar Wochen in den
Knast gewandert. Dort hatte er, wie der Zufall so wollte, eine stadtbekannte
Größe des Rotlichtmilieus kennengelernt. Beide waren am gleichen Tag auf freien
Fuß gesetzt worden und eines war zum anderen gekommen. Fortan war er nicht mehr
Johann der Hafenarbeiter, sondern Joe, ein krimineller Handlanger, gewesen.
Plötzlich hatte er wieder ein Einkommen gehabt und das getan, was er am besten
konnte: die Fäuste sprechen lassen. Einige Jahre später hatte man ihm dann eine
Waffe besorgt und ihn damit beauftragt, einen Penner auf dem Kiez umzulegen -
nur so zum Spaß. Joe hatte nicht lange darüber nachgedacht, die Waffe genommen
und nach dem betreffenden Obdachlosen Ausschau gehalten. Er hatte dem Mann, der
ein hoffnungsloser Alkoholiker war, ohne Erbarmen unter einer Brücke aufgelauert,
ihn erschossen und die Leiche dann auf seine Art und Weise verschwinden lassen.
Dafür hatte er nur eine Säge, ein Messer und einen guten Kontakt zur örtlichen
Tierfuttermittelfabrik gebraucht. Es war alles überraschend einfach gewesen,
auch wenn die Nervosität vor dem Abfeuern der Pistole grausam gewesen war. Joe
hatte am ganzen Körper gezittert, als er es jedoch getan hatte, war er von
einem ungeahnten Glücksgefühl durchströmt worden. Dieser Mord hatte ihm einen
unglaublichen Kick gegeben.
    Der Kiezpenner war Joes erster Auftragsmord
gewesen. Es waren seitdem viele dazu gekommen. Nie war er erwischt worden.
Jedes Mal hatte er eine Lösung für etwaige Probleme gehabt. Vor knapp zehn
Jahren war er im Milieu bekannt und gefürchtet gewesen. Er hatte dann etwa in
dieser Zeit beschlossen, Hamburg zu verlassen. Sich selbstständig gemacht, wenn
man so wollte. Hamburg war für ihn einfach zu gefährlich geworden. Böse Zungen
hatten ihm vorgeworfen, er würde weglaufen wie ein räudiger Hund. Und das hatte
vielleicht auch gestimmt. Eine Zeit lang waren danach die

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