Sonne, Wind und Mord (German Edition)
der Hektik der letzten Stunden, ein wahres Geschenk. Selbst die
Schmerzen legten sich bei allen Beteiligten, nachdem der Inspektor eine Packung
Schmerzmittel aus der Bordapotheke gefischt und sie großzügig verteilt hatte.
Im Laufe der nächsten zwanzig Minuten verschlang das Trio so ziemlich alles,
was der Inspektor auf den Tisch gelegt hatte, dazu tranken sie eine Flasche
Wein, die sie mild von innen heraus wärmte und ihnen das Gefühl von
Behaglichkeit zurückgab. Dementsprechend träge und müde waren sie danach. Linda
war so erschöpft, dass sie ohne Hemmung dem überraschten Surveillant den Kopf
auf die Schulter legte und die Augen schloss, während sie die Decke, die sie
immer noch um ihren Körper geschlungen hatte, noch ein wenig enger zusammenzog.
Kees Bloemberg konnte sich ein mildes Lächeln nicht verkneifen, zu schön war
der Anblick der müden Wissenschaftlerin, die angelehnt an seinen schon wieder
purpurrot anlaufenden Kollegen saß. Eine ganze Weile hockten sie still so
herum. Der Surveillant hatte mittlerweile seinerseits den Kopf leicht zur Seite
gelegt und die Augen geschlossen, während Lindas ruhiger gleichmäßiger Atem
darauf deutete, dass sie eingenickt war. Kees Bloemberg nahm noch einen Schluck
wohltuenden Rotwein und entschloss sich dann, an Deck nach dem Rechten zu
sehen. Die beiden würden sicher nichts anstellen. Und wenn schon…
Leise stand er auf, ging in den Heckbereich
und stieg den unter seinem Gewicht knarrenden Niedergang hinauf.
***
19:20 Rotterdam,
Konferenzzentrum De Doelen
Senator Jonathan Smith stand im Zentrum der
Aufregung, die sich über den Konferenzsaal ergossen hatte, nachdem er seine
Ausführungen beendet hatte.
„Bitte, meine Damen und Herren,
beruhigen Sie sich“, bemühte sich Michael Greenly vom Rednerpult aus darum, die
Wogen zu glätten.
„Wenn Senator Smith der Meinung ist, dass die
Wirtschaftskrise einen wesentlich höheren Problemwert besitzt, als die
unweigerlich bevorstehende Klimakatastrophe, in die wir uns hineinmanövrieren,
dann ist das erst einmal so zu akzeptieren. Es ist eine Meinung von vielen und
somit wird sie wohl auch von vielen nicht geteilt. Das Argument, dass bei einem
Zusammenbruch der Wirtschaft - ich zitiere: „ohnehin der Ofen aus ist“, kann
man sicher kritisch sehen. Aber es ist wohl nicht an der Zeit zu einem solch
frühen Zeitpunkt dieser Konferenz, damit zu beginnen, sich im Klein-Klein
einiger Formulierungen zu verlieren. Abgesehen davon, dass der Klimaschutz auch
für die Wirtschaft riesige Chancen mit sich bringt, was einige hier seit Jahren
vehement bestreiten. Ich vermute, wir sind zusammengekommen, um dafür zu
sorgen, dass gegensätzliche Meinungen aufeinander zu bewegt werden können. Oder
etwa nicht?“
Die allgemeine Unruhe im Saal hatte sich etwas
gelegt, nun jedoch ergriff Song Hui Yun das Wort, dankbarerweise in einem recht
fließenden Englisch.
„Wenn Sie bestreiten, dass die Krise in der
Wirtschaft ein geringeres Problem ist als der Klimawandel, kann ich dem nicht
zustimmen, Mister Greenly. Viele Arbeitsplätze sind gefährdet. Millionen
Menschen in meinem Land haben ihre Arbeit verloren. Diesen Menschen ist es
egal, ob sich das Klima verändert. Diese Menschen müssen darum kämpfen, Geld zu
verdienen, damit sie sich und ihre Nächsten ernähren können. Wenn sie das nicht
schaffen, werden Sie nicht lange genug leben, um den Klimawandel überhaupt zu
bemerken. Wir müssen also erst alles daransetzen, diese globale Krise in den
Griff zu bekommen, ehe wir uns mit irgendetwas anderem beschäftigen können. Ein
Punkt, den mein Land deshalb seit Jahren fordert, ist die Ablösung des amerikanischen
Dollars als Leitwährung und die Akzeptanz der Tatsache, dass die Vereinigten
Staaten von Amerika nicht länger eine wirtschaftliche Supermacht sind“, warf er
mit dünner Stimme sein Statement in den Raum und eckte dabei natürlich heftig
bei der amerikanischen Vertretung an. Der alte Smith war derjenige, der die
Kritik des jungen Chinesen mit einer Handbewegung beiseite wischte.
„Verzeihung, Mister Song, aber ich denke, diese aus der Luft gegriffenen
Vorschläge können Sie in irgendeinem Hinterzimmer vorbringen. Auf einer
offiziellen Veranstaltung wie dieser hat das sicher nichts zu suchen. Sie tun
gerade so, als sei Amerika der Sündenbock für das Dilemma, anstatt zu erkennen,
dass diese Krise globaler Natur ist. Leider muss ich feststellen, dass die Einstellungen
Ihrer Regierung
Weitere Kostenlose Bücher