Sonne, Wind und Mord (German Edition)
diesbezüglich seit dem letzten Zusammentreffen der G20 nicht
einen Deut besser geworden sind. Ich verstehe Ihre Aufregung auch überhaupt
nicht. Ist es nicht Ihr Land, das noch vor Wochen stolz ein neun prozentiges
Wachstum seiner Wirtschaft im vergangenen Jahr angepriesen hat und ist es nicht
Tatsache, dass Ihre Regierung die Währung der Volksrepublik künstlich niedrig
hält, um billig zu exportieren? Bevor Sie also damit beginnen, andere zu
kritisieren, sollten Sie lieber vor Ihrer eigenen Haustüre fegen. Das ist
wirklich traurig, Mister Song, bei allem Respekt.“
Song schoss einen düsteren Blick auf den alten
Senator ab, kam jedoch nicht dazu, etwas zu erwidern. David Mac Needle hatte
das Rederecht erbeten und gab mit gewohnt australischem Akzent seinen Senf
dazu.
„Ich bitte Sie, meine Damen und Herren. Wir
sitzen keine zwanzig Minuten beisammen, haben die Begrüßung nicht einmal
abgeschlossen, da vergraben Sie sich schon wieder in Themen, die auf diesem
Gipfel überhaupt nichts verloren haben. Möglicherweise ist Ihnen die falsche
Einladung zugegangen. Wir möchten uns in den Tagen, die wir hier beisammen
sind, über die Rettung unseres Klimas und unseres Planeten unterhalten. Ich
darf Sie daran erinnern, dass das nächste Wirtschaftsforum mit Ihrer
Beteiligung erst Mitte März in Sydney angesetzt ist. Es wäre also sicher
hilfreich und vor allem respektvoll Mister Greenly gegenüber, der dort vorn
steht, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und nicht abzuschweifen.
Vielen Dank.“ Mac Needle nahm ohne Erwartung einer Reaktion wieder Platz. Song,
der sich von Smith‘ Erwiderung noch immer angegriffen fühlte, wollte jedoch
keine Ruhe geben.
„Das ist nett gesagt, Mister Mac Needle. Hier
geht es jedoch um Grundsätzliches, so etwas kann man nicht einfach im Raum
stehen lassen. Auch mein Land möchte sich für die Klimarettung einsetzen, aber
unsere Prioritäten liegen derzeit USA-bedingt woanders“, ätzte der Chinese mit
dem schlanken Körperbau, dem ausdruckslosen Gesicht und den typischen glatten
schwarzen Haaren.
Michael Greenly wollte seinen Ohren nicht
trauen. Zwar hatte er bei den letzten Konferenzen Ähnliches erlebt, dass dies
jedoch direkt während der Eröffnung geschah, empfand er als Unverfrorenheit.
Der Umweltpolitiker wollte gerade konsequent einschreiten, da erhob sich
Youssef Ohnanga und ergriff das Wort.
Der 39jährige Malediver, der sich widerwillig
in einen Anzug gezwängt hatte, lächelte etwas schüchtern durch den Saal und
begann dann mit freundlicher Stimme zu reden. „Mister Song, Mister Smith“,
sagte er in ruhigem Ton und lächelte noch ein wenig mehr als er sich der
Aufmerksamkeit bewusst wurde, die gerade auf ihm lastete. „Ihre
wirtschaftlichen Differenzen in Ehren, aber dies hier ist eine… Umwelt…
Umweltkonferenz. Die Erwartungen meines Landes an diese Art von Zusammentreffen
großer Politiker aus aller Welt liegen darin, dass hier konstruktive Vorschläge
zur Bekämpfung der Klimaerwärmung gemacht werden… Mein Land ist nicht besonders
groß und wir haben keine große Industrie, wir leiden dennoch genau wie Sie alle
unter den Folgen der Wirtschaftskrise. Dies alles spielt jedoch eine
untergeordnete Rolle, wenn ich in die Zukunft schaue. Denn wenn ich das tue,
wird mein Blick traurig. Mein Land besteht aus vielen Inseln. Inseln, die allesamt
bedroht sind. Inseln, die schon in wenigen Jahrzehnten im Meer verschwunden
sein könnten.
Der Klimawandel gefährdet Menschen direkt in
Leib und Leben, er wird das Land meiner Väter und Großväter im Meer versinken
lassen, wenn wir nichts tun. Als Kind habe ich nur ein- oder zweimal von der
Geschichte über Atlantis gehört, der Stadt, die im Meer versank. Ich hielt dies
für eine blödsinnige Geschichte. Doch heute, da erscheint sie mir real, realer
als je zuvor. Die Fakten aller derzeitigen unabhängigen Untersuchungen sprechen
für einen rapiden Anstieg des Meeresspiegels bei gleicher oder – was
wahrscheinlicher ist- schnellerer Erwärmung und Abschmelzung der Polarkappen.
Dieser Entwicklung wird man irgendwann nicht mehr entgegenwirken können. Viele
Menschenleben werden bedroht sein, Länder werden verschwinden und meines wird
eines der Ersten sein. Ich bitte Sie also inständig. Lassen Sie uns nicht in
die Diskussion über wirtschaftliche Probleme verfallen, lassen Sie uns
konstruktiv arbeiten, damit es für die Länder, die am ärgsten betroffen sind
und die Menschen dort Hoffnung gibt, nicht ihr
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