Sonne, Wind und Mord (German Edition)
nicht mehr dazu, zumindest nicht, wenn die Verfolger in einem
verdammten Schnellboot saßen.
Während sie dort zusammengekauert hockten, die
Kugeln über sie hinweg zischten und sie voller Argwohn mit anhören mussten, wie
das Dröhnen der leistungsstarken Bootsmotoren langsam immer näher kam,
ratterten die Gedanken in Bloembergs Kopf. Sie mussten hier weg, so wie Rudjard
gesagt hatte.
„Was sollen wir denn jetzt machen?!“, fragte
dieser vollkommen verängstigt und Kees sah, dass er zitterte. Kurz überkam ihn
Mitleid, mit dem jungen Mann, dafür jedoch war keine Zeit. Es gab nur eine
Option und mehr als einen Überraschungseffekt würde sie auch nicht bringen. Das
war immer noch besser als gar nichts.
„Wenn ich „Jetzt!“ rufe, reißt du das Steuer
in Richtung Backbord verstanden?“, zischte der Inspektor und erntete einen
verwirrten Blick.
„Backbord?“
„Nach links, Ronald, nach links. Backbord ist
immer links, also nach links! Kapiert?!“
„Ja, aber was haben Sie denn vor,
Inspecteur?“, fragte Ronald verzweifelt und zuckte zusammen, als eine Kugel
ganz in der Nähe mit einem lauten „Plong“ ins Heck einschlug. Ohne etwas zu
erwidern sprang der Inspektor unerwartet auf. Ronald rief vor Schreck
„Inspecteur, nein!“, aber Bloemberg hörte ihn nicht. Er machte einen Satz nach
vorn und eilte in Richtung Bug.
Das Schnellboot war bis auf knapp hundert
Meter herangekommen. Als Joe und Hassan bemerkten, dass Bloemberg aufgesprungen
war und mit schnellen Füßen in Richtung Bug balancierte, ließen sie den Motor
aufheulen und kamen noch näher heran. Diesmal würde nichts mehr schiefgehen. Es
wurde Zeit, dass diese Leute endlich einsahen, dass sie nicht mehr entkommen
konnten.
Kees hastete an der Reling entlang. Seine Füße
rutschten auf der glatten Oberfläche ab, aber er hielt sich wacker im
Gleichgewicht. Der Regen prasselte und der Wind pfiff ein wütendes Lied,
darunter mischte sich das immer lauter tönende Gewehrfeuer. Kugeln zischten
jetzt um Haaresbreite an ihm vorbei. Weit waren sie also nicht mehr entfernt.
Noch drei kurze Schritte, dann erreichte er den Mast. Hektisch riss der
Inspektor am gerefften Hochsegel. Seine Hände arbeiteten schnell und geschickt.
Sekunden vergingen, dann hatte er das Seil, das die Takelage zusammenhielt,
entknotet. Blitzschnell kniete er sich hin und begann an der kleinen Kurbel am
Mastfuß zu drehen, die zur Spannung des Segels diente. Mit einem permanent
klackernden Geräusch wurde das Segel den Mast hinaufgezogen, wenngleich es
langsamer ging, als Bloemberg hoffte.
Der Inspektor hatte keine fünf Sekunden
gedreht, da fuhr ein unerwartet heftiger Windstoß in das sich langsam spannende
Segel. Ruckartig wurde dem Inspektor die Kurbel aus der Hand gerissen. Ein
lautes scharfes Surren ertönte. Die Kurbel drehte sich von allein in einem
höllischen Tempo. Das Segel spannte sich binnen Sekunden zur vollen Größe auf.
Ein Ruck ging durch die Isabella, die durch den plötzlichen Druck auf das Segel
mit dem Bug nach vorn herunter gedrückt wurde und sich im Heck bedenklich
anhob. Der Mast ächzte unter der abrupten Belastung schwer, aber er hielt. Das
Segel richtete sich genau in den Wind und es gab einen weiteren heftigen Ruck.
Kees verlor das Gleichgewicht und fiel nach hinten. Die Reling konnte nicht
verhindern, dass er beinahe über Bord ging. Er fiel, bekam im letzten Moment
die obere Griffstange zu fassen und hing nun - verzweifelt strampelnd - an der
Reling. Ronald sah geschockt zu ihm hinüber und hielt das Steuer zitternd in
den Händen.
„Jetzt!“, schrie Bloemberg, unter dessen Füßen
das kalte, gischtgeschwängerte Wasser in kräftigen Wellen gegen die Isabella
klatschte. Ronald riss am Ruder. Die Isabella, offensichtlich froh über die
plötzliche Richtungsänderung, legte sich wieder gerade ins Wasser, neigte sich
wegen des starken Seitenwindes jetzt jedoch bedenklich nach rechts herunter.
Kees Bloembergs Füße berührten das Wasser. Er zog die Beine an und bemerkte
trotz seiner misslichen Situation, dass sein Segelboot deutlich an Fahrt
gewann. Ob das reichen würde, um ein 500 PS Motorboot abzuhängen, war
allerdings eher utopisch. Wenn sie die Verfolger mit dem plötzlichen Manöver
für einen Moment irritieren konnten, war das schon ein großer Fortschritt,
darüber konnte Kees jetzt allerdings nicht befinden. Sein erstes Problem
bestand derzeit darin, dass er kurz davor stand, über Bord seines eigenen
Bootes zu gehen.
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