Sonne, Wind und Mord (German Edition)
Reling seines eigenen Bootes, unter seinen Füßen das schäumende,
spritzende Wasser der Oosterschelde.
Mit aller Kraft zog er sich nach oben,
schaffte es aber nicht, einen Fuß wieder an Deck zu bringen. Ihm fehlten immer
ein paar Zentimeter, auch weil die Isabella noch immer stark in seine Richtung
geneigt im Wasser lag. Die Geschwindigkeit der Isabella hatte sich enorm
gesteigert, mehr als 14 Knoten jedoch und damit etwa dreimal so schnell wie
vorhin konnte sie nicht werden. Das Segel und der Segelbaum waren für die
derzeit herrschenden Windgeschwindigkeiten eigentlich nicht ausgelegt. Kees
wunderte sich, dass ihnen der Mast noch nicht um die Ohren geflogen war. Der
Wind nahm noch zu und wenn Kees das richtig aus seiner unglücklichen Position
bewerten konnte, hielt Ronald das Ruder noch immer starr in Richtung Backbord.
Das Motorboot war zwischenzeitlich wieder aus Kees‘ Augenwinkel verschwunden,
dass es dennoch irgendwo in der Nähe sein musste, darauf ließ das
ununterbrochene Knallen der Gewehrfeuersalven schließen. Es sprach also nicht
viel dafür, dass sich sein riskanter Einsatz, der derzeit damit geendet hatte,
dass er herumhing und nichts tun konnte, in irgendeiner Art und Weise gelohnt
hätte. Alles was Kees wusste war, dass er bald keine Kraft mehr hatte, wenn
Ronald allerdings das Boot genau in den Wind hinein steuerte, spielte das auch
keine Rolle mehr. Er musste den Surveillant dazu bringen, die Kreisbahn zu
verlassen, möglichst schnell, denn das Boot verlor schon wieder an
Geschwindigkeit, was darauf hindeutete, dass es nicht mehr lange dauerte, bis
der größte anzunehmende Unglücksfall eintreten würde.
„Ronald!“, brüllte Kees aus vollem Hals und
hoffte inständig der junge Surveillant hörte ihn trotz der stürmischen
Geräuschkulisse. „Das Ruder nach Steuerbord! Hart Steuerbord!“
Der Kurs der Isabella änderte sich nicht, sie
lag so schräg im Wasser wie zuvor. Das obere Ende des Segels begann unheilvoll
zu flattern. Kees versuchte seine Verzweiflung über die drohende Katastrophe zu
unterdrücken.
„RUDJARD! DAS RUDER NACH STEUERBORD! NACH
RECHTS!“, schrie er aus Leibeskräften. Das Flattern am Kopf des Segels
verstärkte sich und reichte nun bis fast herunter zum Schothorn. Die Isabella
verlor rapide an Geschwindigkeit.
Mittlerweile vibrierte unter dem heftigen
Zerren der Windböen der ganze Mast. Kees hörte mit Grauen die ächzenden Laute,
die die Carbonfaserkonstruktion von sich gab. Ein paar Sekunden noch und der
Wind käme direkt von vorn auf das Segel. Eine weitere heftige Böe und es wäre
vorbei gewesen. Doch dann bemerkte Kees, dass sich das Schiff langsam wieder fing.
Die Vibration am Segelbaum erstarb, das Flattern am Segel wurde weniger,
stattdessen blähte sich das Segeltuch wieder zu voller Größe auf. Das Schiff
gewann erneut an Geschwindigkeit und lag durch die Richtungsänderung jetzt
nicht mehr ganz schräg im Wasser.
Harteljike dank, god. Gut
gemacht Ronald.
Kees Bloemberg sah seine letzte Chance
gekommen. Er musste sich jetzt hochziehen, für einen weiteren Versuch hätte er
kaum noch Kraft gehabt. Mit aller Mühe riss er seinen Körper hinauf. Ein
Stück… noch ein Stück . Sein Fuß berührte beinahe die Deckkante. Nur noch
ein oder zwei Zentimeter fehlten. Die Kraft drohte schon wieder aus seinen
Armen zu weichen. Er begann zu zittern.
Komm schon! Komm schon!
... Ja!
Der Fuß erlangte festen Halt auf dem Deck. Ein
beherzter Stoß aus dem Kniegelenk und der Inspektor gelangte wieder an Bord.
Erschöpft krabbelte er über die Reling und ließ sich beherzt auf den glatten
schmalen Untergrund fallen, als eine aus unmittelbarer Nähe abgefeuerte
Gewehrsalve, nur Zentimeter an seinem Kopf vorbei flog. Hastig spähte er umher.
Auf dem Deck hatte er keine Deckung. Das Motorboot war auf 50 Meter
herangekommen. Es fuhr jetzt parallel zur Isabella und hielt ihre
Geschwindigkeit. Es war offensichtlich, dass die Killer bei den Wetterbedingungen
kein Risiko eingehen wollten und sich der Yacht des Inspektors nur langsam
näherten. Der einzige Vorteil, den die Isabella dem kleinen wendigen Motorboot
gegenüber hatte, war der der Größe. Die nutzte ihnen derzeit jedoch überhaupt
nichts. Kees Bloemberg lag ungeschützt auf dem Deck, die Arme stützten seinen
Oberkörper. Kugeln pfiffen durch die Luft und zerschlugen den weißen Lack an
zahlreichen Stellen. Bloemberg trafen sie nicht. Mit Mühe begann der Inspektor
in Richtung Heck zu robben, dort lag noch
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