Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun
schlagen und beweisen, dass ich ihr überlegen bin. Indem ich die Polychine mit den richtigen Informationen versorge, wird es möglich sein, sie zur Produktion von vorhersagbaren Lösungen zu zwingen, wie ich gleich zeigen werde.«
Die Genzauberin trat zu den zahlreichen Kontrollgeräten, holte ein Bild auf eine Memofläche und zoomte einen silbernen Kasten heran, an dem vier lange, dünne Gelenkbeine befestigt waren. »Lass die Sequenz laufen«, sagte sie.
Der Roboter ruckte vorwärts und stakste steif zu einer Gruppe unförmiger schwarzer Stacheln, die aus einer gefrorenen dunklen Lache ragten. Er fuhr eine Düse aus, die eine kleine Dampfwolke ausstieß, und auf den Stacheln erschienen augenblicklich eine Menge orangefarben leuchtender Flecken.
»Das war eine Dosis N -Acetylglucosamin«, sagte Sri Hong-Owen zu Loc. »Ein häufig vorkommendes Lektin, ein Protein,
das Kohlenhydratstrukturen bindet. Wenn es sich an bestimmten Stellen auf der Oberfläche der Polychine anlagert, löst es eine kurze Stoffwechselkaskade aus, die die Leuchtpunkte hervorruft. Obwohl die Polychine also keine Informationen enthalten, sind sie in der Lage, Informationen zu verarbeiten. Jedes besteht aus einer spezifischen Zusammensetzung von Polymeren, und jedes Polymer existiert in einem von zwei Zuständen, entweder an oder aus, was von einer begrenzten Zahl von Regeln bestimmt wird. Ein bestimmtes Polymer kann vielleicht in Gegenwart einer von zwei chemischen Substanzen aktiv werden. Oder es bedarf des Vorhandenseins beider Substanzen.«
»Boole’sche Logik«, sagte Loc, als eine vage Erinnerung aus der Klarheit in seinem Kopf auftauchte.
»Ganz genau«, sagte Sri Hong-Owen. »Vielleicht besteht ja doch noch Hoffnung für Sie, Mr. Ifrahim. Die Reaktion, die Sie gesehen haben, war eine einfache Sequenz: Lektin plus bindendes Polymer entspricht der Aktivierung eines anderen Polymers, welches die Lumineszenz bewirkt. Die Polychine sind Boole’sche Netzwerke, dazu in der Lage, geordnete Dynamiken zu generieren – statische Zyklen. Ein Polychin, hergestellt aus nur hundert Polymerbestandteilen, von denen jeder nur zwei mögliche Zustände besitzt, entweder an oder aus, würde zehn hoch dreißig mögliche Kombinationen generieren. Wenn jeder Bestandteil von allen anderen Bestandteilen einen Input erhält, entsteht Chaos im System, das dann wahllos eine große Anzahl von Zuständen durchläuft. Es würde äußerst lange dauern, bevor es zu seinem ursprünglichen Zustand zurückkehren würde. Wenn aber jeder Bestandteil nur zwei Inputs erhält, wird das System spontan Ordnung generieren – es wird nur zwischen vier der zehn hoch dreißig möglichen Zuständen abwechseln. Solcherart eingeschränkt von einer spontanen,
sich selbst organisierenden Ordnung generieren die Polychine feste Zyklen, die unseren Stoffwechselprozessen sehr ähnlich sind. Und weil diese Zyklen zur Informationsverarbeitung fähig sind, ist es möglich, vorhersagbare Ergebnisse zu erzielen, indem man sie mit den entsprechenden Informationen füttert. Zuerst haben mein Team und ich ihre Reaktionen auf eine große Anzahl chemischer Botenstoffe getestet, wie ich es Ihnen gerade vorgeführt habe. Aber die Polychine sind weit mehr als nur chemische Detektoren. Wenn zwei verschiedene Polychine zusammenwachsen, erzeugt die Interaktion zwischen ihren stoffwechselähnlichen Hyperzyklen neue Formen von Polychinen. Und Interaktionen zwischen Polychinen der zweiten Generation können eine dritte Generation hervorbringen, und so weiter. Die Vielfalt des Systems wird allein durch Größe und Zeit bestimmt. Wir haben versucht, theoretische Lösungen daraus abzuleiten, die das gesamte Informationsfeld definieren, doch die Unendlichkeit steht dem entgegen.«
»Ein wundervolles Spielzeug für jemanden mit Ihren Interessen. Doch ich bezweifle, dass es dem Oberst gefallen wird«, sagte Loc.
Mit einer gewissen Schadenfreude im Herzen begriff er so langsam, dass dieser seltsame Garten ein Puzzle und eine Falle waren. Etwas, das eine Menge von Sri Hong-Owens Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen und keinerlei sinnvolle Ergebnisse hervorbringen würde. Sie war ein Genie, das war nicht zu leugnen, doch sie war auch eitel und selbstsüchtig, besessen davon, Spiele um ihrer selbst willen zu spielen.
Trotzdem gab es da eine seltsame Schönheit, eine ansprechende asymmetrische Ordnung in den Kerzenfeldern und Wiesen aus Stacheln und Türmen, Spiralen und Bögen, die sich über das riesige
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