Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun
eingerichtet hatte, arbeitete in der Zwischenzeit sehr effizient. Die große, nierenförmige Terrasse war über einem Bett aus zermahlenem Eisenspat und Fullerenkies mit einem halben Meter Mutterboden bedeckt. Auf der Erde waren schnellwachsendes Gras und Klee ausgesät worden, ein dichter grüner Teppich, der im Licht der Deckenlüster schimmerte. Als Idriss Barr anrief, zeigte Macy Han und Hannah gerade eine Bodenprobe, die sie unter einen Vergrößerungsschirm gelegt hatte. Han war völlig versunken in die Betrachtung der sich windenden Nematoden, der Springschwänze, die wie winzige mechanische Pferde aussahen, der zarten Netze aus pilzartigen Hyphen und juwelenartigen Ketten aus Cyanobakterien. Hannah dagegen plapperte munter drauflos und versuchte die Winzlinge bei ihrem Namen zu nennen, wobei sie ungefähr bei der Hälfte richtig lag.
Macys Spex vibrierte in ihrer Tasche. Als sie sie aufsetzte, sagte Idriss Barr: »Ich glaube, Sie nennen so etwas eine Vorwarnung. Sada Selene möchte mit Ihnen sprechen.«
»Ich bin sicher, Sie finden einen Weg, ihr freundlich zu sagen, dass ich beschäftigt bin.«
»Dazu ist es zu spät, fürchte ich. Sie ist schon unterwegs. «
Macy drehte sich um und sah zwei Gestalten an einer der Seilrutschen über die Kluft hinter der hohen durchsichtigen Trennwand am Terrassenrand gleiten.
»Sie möchte Ihnen einen Vorschlag machen«, sagte Idriss.
»Was für einen Vorschlag?«.
»Sie möchte, dass Sie die Vertreter der Pazifischen Gemeinschaft bei ihrer Ankunft treffen.«
»Sie machen Scherze.«
Die beiden Gestalten auf der Seilrutsche glitten über den Rand der Barriere und sprangen am Endpunkt geschickt hinter einer Stelle mit jungen Fichten ab.
»Ich habe ihr von Ihren Vorbehalten erzählt, Macy. Sie sagt, Sie müssten Ihre Vorurteile hintanstellen, weil Ihre Erfahrung für eine erfolgreiche Verhandlung entscheidend sein könnte.«
»Meine Erfahrung? Ich habe nie jemanden von der Pazifischen Gemeinschaft getroffen.«
»Sie meint damit die Tatsache, dass Sie von der Erde stammen. «
»Ich und zehn Milliarden andere auch.«
»Hören Sie sich an, was sie zu sagen hat, Macy. Wir alle können Ihnen danach helfen, eine Entscheidung zu treffen.«
In diesem Moment kamen die beiden hinter den Bäumen hervor und schritten über die Lichtung. Sada Selene und ihr Partner, Phoenix Lyle. Sie besuchten Endeavour drei – oder viermal im Jahr, nahmen an Handelsgesprächen und politischen Treffen teil, doch bisher war es Macy gelungen, ihnen aus dem Weg zu gehen. Sie traute den Geistern
grundsätzlich nicht, und Sada Selene schon gar nicht. Sada und sie hatten eine gemeinsame Vergangenheit. Kurz nachdem Macy zu den Außenweltlern übergelaufen war, war sie in der Stadt East of Eden auf Ganymed ins Gefängnis gesteckt worden. Sada und Newt hatten ihr geholfen zu fliehen. Macy war schließlich auf Dione gelandet und hatte im Habitat von Newts Familie gewohnt; Sada hatte sich den Geistern angeschlossen und war ein paar Jahre später Mitglied einer kleinen Bande gewesen, die Macy entführt hatte.
Sada unterschied sich in ihrem Aussehen kaum von anderen Außenweltlern. Eine große, dünne junge Frau, gekleidet in einen enganliegenden Anzugoverall, das helle Haar kurz geschnitten, eine Tätowierung des Sternbilds der Kleinen Wasserschlange auf der rechten Wange. Ihr Partner war allerdings eine ungewöhnliche Erscheinung, die aus der virtuellen Landschaft einer Fantasy-Saga oder aus einer von Newts verrückten Piraten – oder Monstergeschichten hätte stammen können: ein großer, kräftig gebauter Mann mit schwarzen Spiegeln anstelle der Augen und einer kupferfarbenen Haut, die glatt wie Kunststoff und vollkommen unbehaart war (er besaß nicht einmal Wimpern). Er trug ebenfalls einen weißen Anzugoverall, der sich an seinen Oberkörper schmiegte und am Rücken ausgeschnitten war, um Platz für seinen Schwanz zu lassen, der sich am unteren Ende seines Rückgrats befand. Der Schwanz war lang und muskulös und fächerte sich an der Spitze wie eine fleischige Orchidee blätterartig auf. Trotz seiner imposanten Erscheinung diente er lediglich als Eskorte und hielt sich im Hintergrund, während Sada Selene mit selbstsicherer Gelassenheit auf Macy zutrat.
»Hier bist du also«, sagte sie. »Beim Sandkuchenbacken wie üblich.«
»Beim Aufbau eines Zuhauses«, erwiderte Macy.
Sie trug einen Papieroverall mit einer aufgerissenen Schulternaht, die mit Klebeband geflickt war, und hatte ihr
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