Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun
Drohungen ausstoßen und sich wichtig machen wollen. Warte es nur ab, diese Gespräche werden in ein, zwei Tagen erfolglos abgebrochen werden. Aber Idriss Barr und seine Leute sind keine Geister. Sie sind etwas anderes.«
»Du hast dich verliebt«, sagte Hauptmann Neves lächelnd.
Loc lächelte ebenfalls. »Ich werde nur reden. Welchen Schaden kann ich damit schon anrichten?«
Wie Loc vorhergesagt hatte, begannen die Verhandlungen in den darauffolgenden beiden Tagen zu stocken. Die Geister saßen in eisiges Schweigen gehüllt da, während die brasilianischen und europäischen Diplomaten ihre Angebote vortrugen, und verbrachten dann Stunden damit, alles zu zerpflücken und übertriebene Forderungen zu stellen, bis nichts mehr davon übrig war. Und während sie Loc ignorierten, verwickelten sie die anderen Diplomaten in intensive Gespräche über deren Leben und Arbeit, zweifellos in der Hoffnung, neue Informationen für ihre sozioökonomischen und politischen Modelle von Großbrasilien und den Städten auf den Monden von Jupiter und Saturn zu gewinnen. Natürlich versuchten die Brasilianer und Europäer genau das Gleiche, doch obwohl die Geister ungehemmt mit den defensiven und offensiven Fähigkeiten ihrer Kader und Schiffe prahlten und ihre Bereitschaft kundtaten, alles zu opfern, um die Zukunft zu sichern, die ihr Anführer und
Guru ihnen in die Hände gelegt hatte, gaben sie nur wenig über ihre eigene Stadt und das Leben ihrer Leute preis.
Irgendwie hielten Sara Póvoas Sachverstand, Idriss Barrs ansteckender Optimismus und die Freien Außenweltler die Dinge am Laufen. Loc verfolgte alles genau, analysierte Stärken und Schwächen und Denkungsart jedes Teilnehmers, registrierte, wie sie jeweils miteinander umgingen, um die Gegenströmungen von Macht und Einfluss zu erspüren. Er versuchte sein Bestes, es Hauptmann Neves zu erklären, die immer gelangweilter und ungeduldiger wurde, als sich die Gespräche im Kreis zu drehen begannen und es kein Vor und Zurück mehr gab. Sie sah einen hoffnungslosen Knoten, Loc ein Netz aus Intrigen, das voller Möglichkeiten steckte.
Die Freien Außenweltler waren von der Taktik der Geister ebenfalls entmutigt, wagten es jedoch nicht, sie offen herauszufordern. Zweifellos standen die Freien Außenweltler zum Teil aus Solidarität Schulter an Schulter mit ihnen. Zum Teil aber auch, weil sie sich von den Geistern einschüchtern ließen. Sie waren eine kleine Gruppe von Flüchtlingen, die im Schatten einer Art Totenkult lebten. Trotzdem war klar, dass sie die Brasilianer und Europäer von ihrer Rechtmäßigkeit überzeugen wollten, und dass sie mit ihnen einen gemeinsamen Nenner finden wollten, um irgendwann später die Voraussetzungen für einen Friedensvertrag zu schaffen. Locs Zuversicht wuchs, dass es ihm gelingen könnte, auf ihre Hoffnungen und Ängste Einfluss zu nehmen und sie dazu zu bringen, einen geheimen Kanal zu öffnen, damit sie ihre Gespräche mit der DMB ohne Wissen oder Einmischung der Geister fortsetzen könnten. Dass er für die Auflösung des ganzen Durcheinanders ihre Anerkennung erringen und am Ende vielleicht doch noch davon profitieren könnte.
Es war ja auch nicht so, dass er etwas Besseres zu tun gehabt hätte.
Natürlich konnte er sich nicht an Idriss Barr wenden. Sowohl Sara Póvoas als auch die Geister würden sofort vermuten, dass er etwas im Schilde führte. Aber alle wussten, dass Macy Minnot ihn verachtete und ihm nicht traute, weil er versucht hatte, sie zu töten. Deshalb glaubte er, dass er mit ihr sprechen konnte, ohne irgendeinen Verdacht zu wecken oder den Vorwurf eines doppelten Spiels zu ernten. Nach dem gemeinschaftlichen Abendessen am dritten Tag sah er sie auf einer Plattform in der Nähe eines Habitatpols sitzen und in den großen Raum blicken, wo die Freien Außenweltler in beständigem blauem Dämmerlicht umherschwebten. Sie riefen und lachten, während sie hinter einem kleinen Ball und einander herjagten, von Wänden abprallten, an Stangen herumschwangen und in verschiedene Richtungen davonschossen.
»Ich habe die Spielregeln noch immer nicht verstanden«, sagte er.
»Derjenige, der den Ball hat, muss ihn so schnell wie möglich an einen anderen weitergeben«, sagte Macy Minnot, ohne ihn anzusehen.
»Das ist alles?«
»Das ist alles.«
»Mir ist aufgefallen, dass Sie gar nicht mitspielen.«
»Ich habe früher gespielt. Aber ich bin nicht schnell genug. Ich bremse das Spiel.«
»Wie die Geister die Verhandlungen
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