Sonnenfeuer - Der Frieden war nah
wichtigste Person der Welt bewachen zu lassen. Aber vielleicht würde sie auch nur ein Double bewachen – obwohl das auch Blödsinn gewesen wäre.
Hinter dem Vordersitz klemmte noch ein Nachrichtenmagazin, auf dessen Titelblatt der amerikanische und der iranische Präsident bei einem Pressetermin in Teheran um die Wette strahlten. Lea fragte sich, ob sie die beiden lieber schützen oder erschießen wollte? Irgendwie war das beinahe dasselbe.
Der Frieden ist nah , stand in der Überschrift, was für eine Headline. War das wirklich der Anfang von Ende der Konflikte zwischen Christen und Muslimen?
Etwas donnerte gegen die Scheibe. Eine ganze Stafette von Flaschen, Steinen und sonstigen Wurfgeschossen knallten gegen das Auto. Sie waren am Jungfernstieg angekommen. Die Polizei sperrte dem Fahrzeug eine Gasse frei. Mehrere tausend Polizisten in schweren Kampfanzügen bemühten sich redlich, knapp dreihundert Meter Straße gegen den autonomen Volkszorn zu verteidigen. Die Globalisierungsgegner hatten in Hamburg über eine viertel Million Menschen mobilisieren können und mit jedem Tag wurden es mehr. Im Internet kursierten Gerüchte, die zum Jahreswechsel über eine Millionen Demonstranten ankündigten. Und da jeder Demonstrant auch ein Wähler war, würden in Berlin vermutlich bald Gänseblümchen aus dem Kanzleramt wachsen. Die ganzen Deppen, die trotz dieses scheußlichen Wetters lieber eine Revolution anzettelten als zuhause Dominosteine zu essen, zeigten deutlich, wem sie bei der nächsten Wahl ihre Stimme garantiert nicht geben würden. Der größte wirtschaftliche und außenpolitische Erfolg, den eine deutsche Regierung seit ihrer Gründung zustande bringen würde, drohte gleichzeitig zu einem beispiellosen innenpolitischen Debakel zu werden. Die Umfragewerte fielen ins Bodenlose. Kein Hamburger und auch die wenigsten Deutschen wollten auf der größten radioaktiven Müllpresse Europas sitzen. Da musste noch nicht mal viel schieflaufen und Hamburg würde auf Jahre keine Straßenbeleuchtung mehr brauchen, war zumindest der einhellige Tenor der Demonstranten, die mit Bannern, Plakaten und Megafonen ihrem Zorn freien Lauf ließen. Lea fuhr gerade an einer Panzersperre vorbei, Polizisten mit automatischen Waffen winkten sie durch.
„Frau Alexander, wir sind da”, sagte der Fahrer abgeklärt.
„Für Sie ist die Tour nichts Neues oder?”
„Nein, aber sie wird jeden Tagen schlimmer.” Die Stimme des Fahrers hörte sich seltsam an. War es richtig gewesen, nach Hamburg zu kommen und wieder für den BND zu arbeiten? Würde sie etwas bewirken können? Frieden finden? Nur, wer wusste schon, ob er immer das Richtige tat. Die nächsten Tage würden zumindest nicht langweilig werden.
***
Binnenalster – Beste Lage
„Es freut mich, dass Sie wieder Ihrem Land dienen.” Felix Jäger lächelte sie kühl an. Seine Krawatten waren immer noch geschmacklos, er wäre besser Versicherungsvertreter geworden. „Hatten Sie einen angenehmen Flug? Das Wetter ist wirklich scheußlich.”
Lea nickte und dachte kurz daran, ihm eine doppelläufige Schrotflinte in den Mund zu schieben und seine Mandeln an den Türrahmen zu nageln. Nein, auch wenn es ein Spaß gewesen wäre, das war er nicht wert. Zudem hatte sie gerade keine Schrotflinte zur Hand.
„Bitte folgen Sie mir .” Er ging vor ihr eine gewundene Marmortreppe hinauf. Für Lea glich die alte Stadtvilla einem Kommandostand. Im Eingangsbereich hatte sie zehn Sicherheitskräfte gesehen und in der ersten Etage waren noch mehr. Einige Gesichter kannte sie bereits, es waren aber auch neue dabei. Vermutlich hatte der BND wieder beim Kommando Spezialkräfte Nachwuchs angeheuert. Sie war damals auf ähnlichem Wege an den Nachrichtendienst geraten. Felix Jäger öffnete eine Tür und forderte Lea auf, den Raum zu betreten. „Wir werden Sie holen, wenn wir Sie brauchen.”
Dann schloss er die Tür wieder. Lea fühlte sich abgelegt. Allein in einem herrschaftlichen Wohnraum, in dem vermutlich schon die weiße Ledersitzgruppe mehr als ihr Jahreseinkommen gekostet hatte. Jäger hatte ihr noch nicht einmal einen Kaffee angeboten. Und den könnte sie jetzt verdammt nochmal gut gebrauchen. Oder einen heißen Tee. Dass wäre noch besser gewesen.
A ußer Büchern, einigen hässlichen Bildern und der besagten Sitzgruppe gab es in diesem Raum nichts von Bedeutung. Lea ging zum Fenster, ein solider weißer Stahlrahmen mit fünfzig Millimeter dickem Panzerglas. Das Haus war gut
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