Sonnenfeuer - Der Frieden war nah
Frauen befanden sich in ihrem Arbeitszimmer. Pauline, das Kindermädchen, hatte gerade Leonie abgeholt.
„In Kuala Lumpur sind die Panzer in Flammen aufgegangen. Das soll sich in Hamburg nicht wiederholen. Die Behörden werden sich entsprechend wappnen”, erläutere Lea, die zwar die Notwendigkeit der Panzer verstand, aber auch Simins Ängste nachvollziehen konnte. Solche Vorgänge hatte Deutschland seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt.
„Was haben die ganzen Menschen bloß? Mir ist doch unsere Umwelt genauso wichtig. Glauben die, wir würden hier unter der Erde riesige Bomben bauen?” Diese Frage meinte Simin völlig ernst, Lea dreht sich dabei der Magen herum. Denn genau davor fürchtete sie sich. „Warum bleiben die nicht Zuhause? Ist es nicht schlimm genug, dass uns im Persischen Golf ein Krieg droht?”
„Die Menschen verstehen nicht, was Sie tun... ”
„Lea, bitte... hör auf, mich zu siezen”, unterbrach Simin sie.
„Die Menschen verstehen nicht, was du tust. Sie... ” Lea stockte, sie verstand selbst nicht was Simin tat. Sie war hin- und hergerissen. Der Verstand klagte Simin Navid unverhohlen an, eine gigantische Täuschung organisiert zu haben und mit den Rekonfigurationsanlagen einen Terroranschlag vornehmen zu wollen. Ob dabei nun eine leuchtende Riesenzentrifuge, die Lea bei der Betriebsfreigabe gesehen hatte, durch die Decke knallen würde, oder nur die Umwelt mit Unmengen von radioaktiven Abfällen kontaminiert werden könnte, sie wusste es nicht. Ihr Instinkt hingegen sah nur eine tief eingeschüchterte Frau, die mit allen Kräften kämpfte und Hilfe brauchte. Nur ohne die Motive zu verstehen, konnte Lea nicht entscheiden, welches Bild das richtige war.
„Ich kann das Misstrauen verstehen. Ich kenne die Lügen der Politik und der Wirtschaft nur zu gut. Morgen werde ich allen zeigen, dass es auch anders geht. Ich bitte doch nur darum, meine neue Welt vorstellen zu dürfen.” Simin weinte. War das wieder eine Täuschung? Lea wollte schreien – doch sie blieb teilnahmslos sitzen. „Lea bitte, ich sehe auch Misstrauen in deinen Augen. Ich brauche dich. Alleine werde ich das nicht schaffen. Es gibt so viele Menschen, die mich aufhalten wollen.”
Wir schalten nun live an die Binnenalster, an der sich über 400.000 Menschen versammelt haben, um am Jungfernstieg gegen die Atomkraft und für den Frieden zu demonstrieren, moderierte eine Sprecherin den Ortswechsel der Reportage. Mit einer Luftaufnahme der mit Menschen überfüllten Promenade ging es weiter.
Wir befinden uns in der Nähe einer inzwischen recht prominenten Stadtvilla an der Binnenalster. Seit nun drei Jahren residiert dort Simin Navid, deren Sonnenfeuer Technologie die Welt spaltet. Die Polizei hat das Gebäude weiträumig gesichert, über 5.000 Polizisten werden seit über einem Jahr durchgängig zur Sicherung ihres Hauses durch die Stadt Hamburg gestellt. Und seit wenigen Stunden sind zudem auf sämtlichen Hausdächern in der Nähe Scharfschützen des US-Secret Service positioniert, der nun anscheinend die Sicherheit von Simin Navid auch zu einem amerikanischen Thema gemacht hat. Wie wir aus gut informierten Kreisen erfahren haben, soll der Terroranschlag in Kuala Lumpur ihr gegolten haben. Der Tod des amerikanischen Präsidenten und des politischen Führers des Irans, sowie von mehreren tausend Zivilisten wurde in einer vertraulichen Depesche lediglich als Kollateralschäden eingestuft. Die Hinweise auf eine iranische Verstrickung in diesen Anschlag wurden bisher von offizieller Seite weder bestätigt noch dementiert.
Lea schüttelte nur den Kopf. „Hör dem Reporter zu, der Terroranschlag in Kuala Lumpur hat dir gegolten. Also wer ist hinter dir her?”
„Hast du nicht die CIA-Notiz gelesen? Ich hatte dir den Code eingegeben.” Simins Stimme klang wie die eines kleinen Mädchens, dünn und eingeschüchtert.
Lea lief es heiß und kalt den Rücken herunter. Das iPad lag noch auf dem Esstisch, zwar würde es nicht jeder lesen können, aber sie ärgerte darüber, das Gerät nicht überprüft zu haben. Sie durfte nicht nachlässig werden. Jetzt musste sie pokern. Lea wollte nicht zugeben, das Tablet einfach nebenan ungelesen liegengelassen zu haben.
„Der Tod deines Mannes. Das war kein Unfall”, stellte Lea selbstsicher fest. Simin blickte sie an, ein unscheinbares Lächeln. War Lea bereits aufgeflogen?
„Ich bin nicht stolz darauf, dich angelogen zu haben. Aber mir waren die Hände gebunden”,
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