Sonnenfeuer
in einem Wassereimer und trocknete sie an ihrem Kleid ab. Den Schal, an dem noch Reste der giftigen Blätter klebten, verbarg sie in einer Tasche ihres Kleids. Danach ging sie zur Veranda vor Perfys Zimmer und kauerte sich, verborgen von einer großen Polsterbank, an die Wand. Perfy war noch wach, wie Diamond aus dem Geräusch ihrer unruhigen Schritte schließen konnte. Das durch die Spitzenvorhänge aus ihrem Zimmer fallende Licht warf hübsche Schatten auf den polierten Verandaboden. Diamond zog die Knie an und betrachtete das gleichmäßige Muster, bis sie in einen leichten Schlummer fiel.
Cornelia träumte. In der Ferne erblickte sie ein prächtiges Schloß, das silbern in der Sonne glänzte. Über den hohen goldenen Türmen wehten Wimpel in allen Farben. Cornelia lief darauf zu. Wunderbare Harmonien drangen ihr entgegen, und verheißungsvoll senkte sich die Zugbrücke für Cornelia herab. Doch je schneller sie rannte, desto weiter schien sich das Schloß zu entfernen, und die Türme begannen sich zu absonderlichen Formen zu dehnen und zu verzerren.
Dann hatte sie es plötzlich geschafft; sie lief über die Zugbrücke, die ihr endlos lang erschien, versengte sich die Füße auf weißglühendem Eisen, doch sie kümmerte sich nicht darum; sie mußte ins Schloß gelangen, koste es, was es wolle. Zu spät erkannte sie, daß sich anstelle des Tors ein riesiges, übelriechendes Maul mit haifischartigen Zähnen hinter ihr schloß. Sie schrie, doch es war kein Ton zu hören, und schmerzgepeinigt rannte sie weiter.
Die Leute, denen sie zurief, sie sollten ihr doch helfen, kamen mit ausgestreckten Händen auf sie zu. Als ein Mann sie mit seinen Klauenhänden packte, erkannte sie, daß es Clem Bunn war.
»Laß mich los!« kreischte sie vor Angst und rannte zu einem anderen, doch es war wieder Clem, und der nächste wieder, immer und immer wieder Clem oder Männer in Masken, die wie Clem aussahen. Sie mußte ihn finden und töten. Wenn sie ihn umgebracht hatte, würden die Doppelgänger sie zufrieden lassen. Sie alle griffen mit Katzenklauen nach ihr, zogen sie an den Haaren, rissen und zerrten an ihren Kleidern. Wohin sie auch blickte, sah sie nichts als verhüllte, von gelbem Schleim bedeckte Gesichter. Dann rannte sie weiter über lange Gänge und von Zimmer zu Zimmer auf der Suche nach Clem, auf der Suche nach ihrem Gewehr. Doch im Schloß war es so dunkel wie in einer Gruft, pechschwarze Wände umgaben sie. Durch die Ritzen der verschlossenen Türen drangen schwache Lichtstrahlen hervor. Sie stürzte darauf zu, hämmerte gegen die Türen und schrie: »Komm heraus, du Teufel! Ich weiß, daß du da drinnen bist. Du wirst mir nicht mein Schloß wegnehmen, hörst du!« Clem war an allem schuld, er hatte das wunderschöne silberne Schloß versteckt. Wenn sie ihn loswürde, würde sie es wiederfinden …
Perfy hatte ihre Sachen gepackt. Jetzt saß sie auf dem Bettrand und blätterte gedankenverloren in alten Zeitungen. Jeder Versuch, mit Cornelia über ihre Abreise zu sprechen, war vergeblich gewesen, sie hatte sich schlichtweg geweigert, darüber zu reden.
»An Weihnachten reisen wir alle zusammen nach Bowen. Darüber wird sich Ihre Mutter sicherlich freuen. Die meisten Leute von den Farmen verbringen den Sommer an der Küste, denn hier ist es dann so naß, daß man nicht viel unternehmen kann. Ihr könnt ja dann dort heiraten. Ihre Mutter vermißt Sie bestimmt, meine Liebe. Aber jetzt sind es ja nur noch ein paar Wochen. Ist das nicht aufregend? Gibt es inzwischen mehr Geschäfte in Bowen, wo man gut einkaufen kann?«
Die Frau war einfach unmöglich. Perfy hielt es für verständlich, daß sie an diese Geschichte von einer Affäre zwischen ihrem Sohn und Diamond nicht glauben wollte. Auch Perfy selbst wollte nicht weiter darüber nachdenken. Und Ben würde sicherlich alles abstreiten. Ihr graute vor der peinlichen Auseinandersetzung, die sie dann mit beiden führen mußte. Wo war eigentlich Diamond? Perfy machte sich Sorgen. Mae hatte sehr unruhig gewirkt, als sie sagte, Diamond sei nicht in ihrem Zimmer. Wußte sie etwas? Hatte Cornelia ihr von Diamonds Anschuldigungen erzählt? Und wenn Diamond gelogen hatte? Nein, bestimmt nicht. Und doch quälten sie Zweifel.
Der Lärm brach wie eine Naturgewalt über das stille Haus herein. Jemand schrie und tobte, hämmerte gegen die Wände, stieß wüste Schimpfworte hervor. Ängstlich saß Perfy da; sie wollte die Tür öffnen und nachsehen, doch sie wagte nicht,
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