Sonnenfeuer
erwiderte Perfy unverbindlich.
»Miss Perfy, ich will Sie nicht noch mehr beunruhigen, aber ich glaube nicht, daß sie Sie gehen lassen wird. Sie möchte nur mich loswerden.«
»Das kann ich ihr nicht verübeln! Aber ich für meine Person kann gehen, wann ich will.«
Schweigend und mit gesenktem Kopf blieb Diamond im Zimmer stehen. Sie wollte nicht streiten, obwohl sie davon überzeugt war, daß sie recht hatte. Schließlich legte Perfy, die in einem Rohrstuhl saß und zu lesen vorgab, ihr Buch beiseite. »Na gut«, meinte sie und stand auf. »Das werde ich gleich herausfinden.« Cornelia war nicht zum Mittagessen erschienen, und Mae hatte nur gesagt, Mrs. Buchanan wolle sich heute etwas Ruhe gönnen. Perfy fand diese Untätigkeit beunruhigend, aber da Mrs. Buchanan oft Mae damit beauftragte, ihre Anweisungen weiterzugeben, hatte sie vielleicht doch schon etwas erreicht. »Sind Sie da, Mrs. Buchanan?« fragte Perfy, nachdem sie an die Tür von Mrs. Buchanans Zimmer geklopft hatte.
»Ja, meine Liebe. Kommen Sie nur herein.«
»Ich hoffe, ich störe nicht, aber ich wollte mich erkundigen …«
Cornelia lag in ihrem rosafarbenen Baumwollschlafrock im Bett, den Kopf mit mehreren Kissen hochgelagert und einem feuchten Waschlappen über den Augen. »Ich weiß, Sie überlegen sich immer noch, ob Sie nach Charters Towers reisen sollen«, sagte sie, ohne den Waschlappen vom Gesicht zu nehmen. »Aber denken Sie doch mal nach; das ist die Sache wirklich nicht wert. Ich stehe bald auf, dann trinken wir zusammen Tee. Ich habe Mae gesagt, sie soll heute etwas Leichtes kochen. Danach spielen wir eine Partie Whist, das wird uns ein bißchen aufheitern.«
»Sie haben mich offenbar nicht verstanden, Cornelia. Ich möchte Caravale verlassen.«
Cornelia seufzte. »Das sagen Sie jetzt. Aber in ein paar Tagen haben Sie die schmutzigen Lügen dieses Mädchens vergessen. Gehen Sie nur. Ich kann Sie nun mal nicht davon abhalten, etwas zu tun, was Sie Ihr Leben lang bereuen werden.«
Trotz Cornelias besorgtem Tonfall nahm Perfy eine gewisse Gereiztheit in ihrer Stimme wahr. Es war die Stimme der Herrin von Caravale, die keinen Widerspruch duldete, und das ärgerte sie.
Als sie in ihr Zimmer zurückkehrte, war Diamond verschwunden. Perfy war darüber ganz froh, denn sie war nicht in der Stimmung, Diamond über den Stand der Dinge zu unterrichten. Und so suchte sie Mae auf.
»Wie weit ist es eigentlich nach Charters Towers?« fragte sie. Mae sah sie erstaunt an. »Nach Charters? Na, lassen Sie mich mal überlegen. Die Männer schaffen es in ein paar Tagen. Wollen Sie dort einkaufen gehen? Es soll mittlerweile eine recht betriebsame Stadt geworden sein.«
»Ja.«
»Na, für Damen ist wohl am einfachsten, über die Twin-Hills-Farm zur Ironbark-Farm zu reiten, und am nächsten Tag sind es dann noch mal an die dreißig Kilometer. Mrs. Buchanan war schon seit einer Ewigkeit nicht mehr dort. Ich bin froh, daß sie mal wieder ein bißchen rauskommt. Sie hat Caravale kaum verlassen, seit Darcy …« Unvermittelt hielt Mae inne. »Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht …«
»Schon gut, Mae. Sagen Sie Mrs. Buchanan nichts von Charters Towers, ich werde selbst fragen, was sie davon hält.«
»In Ordnung. Sie wird wahrscheinlich sowieso mit dem Wagen fahren wollen, mit dem dauert es etwas länger.« Perfy hatte das Gefühl, in einer Falle zu sitzen. Zurück auf ihrem Zimmer zermarterte sie sich den Kopf, wie sie von Caravale wegkommen konnte. Für sie gab es nun keinen Zweifel mehr, daß jede Anweisung, die sie den Stallburschen oder den Viehhütern gab, von Mrs. Buchanan widerrufen werden würde. Ohne ihre Hilfe kam sie hier nicht weg. Der Gedanke, mit Ben diese Auseinandersetzung noch einmal führen zu müssen, war ihr ebenso widerwärtig wie die Vorstellung, daß er sie womöglich nach Charters Towers begleiten würde. Sie haßte ihn. Sie wünschte, sie könnte aufhören, ständig an ihn zu denken, daran, wie jeder ihn auf der Merri-Creek-Farm bewundert hatte, wie selbstbewußt er war, welch feine Manieren er hatte. »Ein Gentleman, genau wie sein Vater«, hatte eine Frau gesagt.
Sie hielt die Tränen zurück. Im Gegensatz zu den beiden Männern, die sie aufrichtig geliebt und die der Tod ihr so unwiderbringlich entrissen hatte, war Ben Buchanan keine Träne wert. Sie fühlte sich zutiefst gekränkt und ertappte sich dabei, wie sie mit ihrem Schicksal haderte, doch dann schob sie diese Gedanken beiseite – Selbstmitleid
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