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Sonnenfeuer

Sonnenfeuer

Titel: Sonnenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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immer klarer wurde: Sie war nicht in die Hände böser Geister gefallen, sondern in die eines feindlichen Stammes. Über ihr schwoll das Gemurmel zu einem Gewirr harter, schnarrender Stimmen an; sie hörte schrilles Gelächter, bis eine Frau, die in einer seltsamen Sprache etwas rief, die Stimmen zum Verstummen brachte.
    Kagari wurde in weiche Felle gewickelt; sie hörte auf zu zittern. Dann wurde sie wie ein Baby hochgenommen und fortgetragen.
    Als sie erwachte, war sie immer noch blind, das wußte sie, und widerliche Hände berührten sie. So laut sie konnte, rief sie um Hilfe, mit einem lauten Dingoschrei, den der Wind zu ihrem Vater tragen würde. Tränen rannen ihr über die Wangen, und sie zitterte wieder, nicht vor Kälte, sondern aus Furcht vor diesen Wesen. Als sie Wassertropfen in ihrem Mund spürte, kein Salzwasser, sondern reines, süßes Wasser, begann sie zu saugen, obwohl ihre aufgesprungenen Lippen wie Feuer brannten.
    Sie konnte nicht sagen, wieviele Tage und Nächte sie auf diesem riesigen Schiff verbracht hatte. Es wurde nun von Regenwinden gepeitscht, die von der Ankunft des großen teuflischen Windes sangen. Dieser Wind war stark genug, um den Ozean aufzuwühlen, ihn bis weit ins Land hinein zu tragen. Er peitschte den Dschungel, riß Bäume mitsamt den Wurzeln aus und warf sie umher, als wären sie Grashalme. Wahrscheinlich war ihr Stamm schon geflohen und versteckte sich in den schützenden Berghöhlen. Kagari kämpfte gegen die Tränen an. Sie durfte nicht verzweifeln. Sobald die Feinde nahe genug an der Küste vorbeifuhren, würde sie fliehen und sich auf den Weg nach Hause machen.
    Als ihre Augen klarer wurden und sie ihre Umgebung wahrzunehmen begann, wich die Angst. Meist hielt sie die Augen geschlossen, aber wenn sie glaubte, daß die seltsame Frau sie nicht beobachtete, blickte sie sich verstohlen um und versuchte, sich ein Bild von diesem Ort und ihrer Lage zu machen.
    Diese Leute hatten sie gefüttert. Niemand hatte sie geschlagen oder angegriffen. Doch die Ereignisse hatten sie mehr verwirrt, als Schläge das je vermocht hätten. Männer waren gekommen, hatten sie angestarrt und waren wieder gegangen, aber die Frau war bei ihr geblieben. Sie hatte sie gefüttert, seltsame Geräusche gemacht, wie man es sonst bei kleinen Kindern tut, sie hatte ihr das Gesicht mit feuchten Tüchern abgetupft und dabei die ganze Zeit auf Kagari eingeredet, als ob diese sie verstehen würde. Bestimmt war diese Frau auch eine Gefangene, und außerdem war sie offenbar nicht ganz bei Trost. Die Frau war von Kopf bis Fuß in viele Schichten Stoff eingehüllt, obwohl sie in der drückenden Hitze ihres düsteren Gefängnisses ständig schwitzte. Und dann deckte sie Kagari mit immer mehr Decken zu, wenn diese versuchte, sie abzuwerfen. Dennoch fühlte sie sich hier mit dieser verrückten Frau sicher; draußen konnte sie die Rufe der Männer hören, die sie gefangen hatten.
    Und immer noch prasselte der Regen gegen das Schiff, doch kein Tropfen drang hinein, nicht einmal am Boden, was Kagari sehr verwunderte. Die See wurde rauher, als der Wind auffrischte. Sie spürte, wie das große Schiff geschwind dahinglitt, und empfand eine kindische Freude. Eine solche Geschwindigkeit hatte sie noch nie erlebt, fast fühlte sie, wie das Wasser unter ihr hinwegraste. Wenigstens wußte dieser fremde Stamm, daß es das beste war, vor den drohenden Teufelswinden zu fliehen.
    Seufzend drückte sie sich in eine Ecke der Koje, betrachtete ihr Gefängnis genau und versuchte herauszufinden, woraus die einzelnen Gegenstände gemacht waren und wozu sie benutzt wurden. Sie wagte nicht, etwas anzufassen, alles konnte ein böses Totem sein.
    Die Frau hatte ihren Haarknoten gelöst und bürstete ihr Haar, das so eigenartig und sandfarben war. Sie tat dies jeden Tag und verknotete es dann wieder. Kagari schaute gern bei diesem Ritual zu, das auf sie beruhigend wirkte.
    Ihr Blick glitt über die Ansammlung fremder Dinge und ließ nichts aus. Sie musterte die dunklen Höcker und Rillen auf dem flachen Tisch in der Zimmermitte und die glatten geschnitzten Stühle, die diese Menschen benutzten. Staunend betrachtete sie die soliden Wände, in die große Schachteln eingelassen waren, die sich mühelos öffnen und schließen ließen und alle Arten von Schätzen bargen. Schließlich blieb ihr Blick an einem Gemälde an der Wand hängen. Der Künstler mußte der beste auf der ganzen Welt sein, entschied sie. Ihre Leute bemalten Rinde und

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