Sonnenfeuer
diesen armen Geschöpfen? Tu nicht so, als wüßtest du es nicht. Diese Schwarzen sind verloren.«
»Das wird meinem Mädchen nicht passieren. Dafür werde ich sorgen. Ich habe sie übrigens nach Gouverneur Bowens Gattin benannt. Sie ist so eine schöne Frau.«
»Du hast ihr den Namen Diamentina gegeben?«
»Nein, nur Diamond.«
Otto nickte. Das gefiel ihm. Gräfin Diamentina beeindruckte auch ihn. Brisbane war eine wilde, rauhe Siedlerstadt, und er hatte lange darüber nachgedacht, ob er seine eigene Frau dorthin mitnehmen sollte. Doch all diese Bedenken hatten die Frau des ersten Gouverneurs von Queensland nicht abschrecken können. Inzwischen schrieb man das Jahr 1862, und sie hatte es nun schon drei Jahre lang ausgehalten. Lady Bowen war vom Scheitel bis zur Sohle Aristokratin und lief selbst in dieser ungehobelten Stadt in Kleidern herum, mit denen sie sogar in Paris Aufsehen erregt hätte. Zudem war sie für ihren Charme und ihre Schönheit bekannt. Und das Erstaunlichste war, daß ihr alle zu Füßen lagen! Was Bowen selbst anbelangte, ging er still seiner Aufgabe nach, diesen neuen Staat aufzubauen, während seine liebreizende Gattin Besuche machte und jedem die Hand in Freundschaft reichte.
Ja, er stimmte zu. Diamond war ein hübscher Name. Und wenn er sich alles so überlegte, gab es eigentlich keine andere Lösung, als das Mädchen zu behalten. Seine Gussie war eine kluge Frau; dieses Mädchen, Diamond, war in guten Händen.
Der Rest der Reise verlief für alle ziemlich beschwerlich. Weil das Wasser knapp war, litten Besatzung und Passagiere an quälendem Durst, und zu allem Überfluß mußten sie sich jetzt auch noch nach Süden wenden, um den Hurrikans auszuweichen. Doch trotz alledem konnte sich Edmund Gaunt wenigstens in der Rolle des Hahns im Korb sonnen. Im Gegensatz zu Mrs. Beckmann, die sich nur einmal übergeben mußte, fühlte er sich ständig flau im Magen. Aber abgesehen von dieser Unpäßlichkeit war er der einzige in der Mannschaft, der das schwarze Mädchen täglich zu Gesicht bekam. Deswegen wurde er jetzt von allen Seiten mit Fragen bestürmt, besonders von Billy Kemp.
»Geht es ihr besser?«
»O ja. Mrs. Beckmann hat sie dazu gebracht, etwas zu essen.«
»Was sagt sie? Das Mädchen, meine ich.«
»Sie sagt gar nichts, Billy. Sie kann kein Englisch.«
»Nicht mal Pidgin?«
Die anderen Männer wollten wissen, ob sie schon Kleider trug, und er antwortete, daß Mrs. Beckmann sie noch nicht aus dem Bett aufstehen ließ. Als er schließlich zu berichten hatte, daß sie aufgestanden sei, waren sie gleich wieder beim alten Thema. »Läuft sie da drin splitternackt herum?«
»Nein. Sie hat ein Hemd an, das ihr Mrs. Beckmann genäht hat.«
»Aber was ist mit Unterhosen? Hat sie irgendwas drunter?« Sogar Edmund mußte lachen, wenn er sich das dünne Mädchen in Mrs. Beckmanns riesigen Unterhosen vorstellte. Aber im Stillen dachte er, was für schreckliche, alte Männer sie doch waren, die über ein Kind schmutzige Bemerkungen machten, bloß weil sie die Kleine nackt gesehen hatten und sie schwarz war! Wenn diese Kerle mal ein wirklich hübsches Mädchen sehen wollten, sollten sie erstmal die Tochter seiner Nachbarn, der Middletons, erleben. Sie war zwölf, drei Jahre jünger als Edmund, und sie hatte ihm schon immer gefallen. Mit jedem Tag wurde sie hübscher, und außerdem hatte sie langes, blondes Haar, das dick wie Flachs war.
Oft hatte er sie beobachtet, wie sie im Hof ihr Haar in einem Eimer gewaschen hatte. Immer die sorgfältigen Handgriffe, die Flut nassen Haars, das Trocknen der golden glänzenden Strähnen, das Kämmen, der Kampf mit den verfilzten Stellen, die Grimassen und das Stirnrunzeln. Wäre es nach ihm gegangen, hätte sie aufhören sollen, wenn das Haar sie wie ein weicher Mantel umfloß, aber schließlich flocht sie ihre Zöpfe, und das so gleichmäßig, daß es aussah wie Zauberei. Und dann rief ihre Mutter nach ihr: »Perfy!«
Edmunds alter Herr mochte die Middletons nicht. Er mochte keine Soldaten. Perfys Vater war Sergeant in der Armee, und Willy Gaunt hielt ihn für einen Verräter. Wie die anderen auch war er in Ketten hier angekommen und hatte sich wie Willy seine Frau unter den Strafgefangenen gesucht. Nach seiner Freilassung war er zur Armee gegangen. »Ein Wendehals«, hatte Willy ihn genannt. »Hat sich auf die richtige Seite geschlagen.« Edmund hatte sich darüber gewundert.
»Aber er hat doch gar nichts zu sagen, Pa. Er ist nur
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